Leseprobe
Einleitung 29 Weiter forderte derselbe Autor als »Ziel der gegenwärtigen Kunst« die »Menschenbildung, die Har- monisierung des zerstörten Menschenbildes auf Grundlage einer wiedergewonnenen Wirklich- keit« 29 – eine Zielsetzung, die auchHeinoMaedebach in Freiberg verfolgte, der zur ersten Ausstellung in seinem Haus 1947 einleitend schrieb: »Nicht Expressionismus oder Surrealismus, Naturalismus oder Impressionismus ist die Frage unserer jungen Kunst, sondern die, wie und wieweitWesen und Erleben des Menschen zum Bild werden können.« 30 Mit dieser Haltung sowie mit seiner kenntnis- reichen Sammeltätigkeit war es Maedebach, der das Museum zunächst ausdrücklich auch als eine Kunststätte etablierte. Kohl porträtierte den verdienstvollenMuseumsleiter in einer Holzbüste, die aber den Lauf der Zeit nicht überdauert zu haben scheint. 31 Auch die Städte Mittweida in ihrer »ErstenWestsächsischen Kunstausstellung« in der Handels- schule am Park, Wurzen mit der Kunstausstellung im Stadthaus und Chemnitz mit der »Mittel- sächsischen Kunstausstellung« im Schloßbergmuseum zeigten allein im Jahr 1948 zahlreiche im Erzgebirge tätige Künstler, unter denen jeweils auch Kohl vertretenwar; 32 so inMittweidamit seinem »Selbstporträt«. 33 Diese regen Aktivitäten in allen größeren und mittleren Städten zeugen von einem großen Aufbruch nach dem Kriegsende 1945. Ermutigung zur Kunst, der Wille zur Heilung, zu Schönheit, zu einem neuen Stil und auch zu einem Stilpluralismus finden darin ihren Ausdruck. Dieses Interesse an der Kunst verband sich in Kohls Fall mit seinem persönlichen Neuanfang. So gehörten Kunsthändler wie der Chemnitzer Richard Fichte zu den Förderern junger Kunst nach dem Krieg. Neben einer Porträtausstellung im Jahr 1947 34 stellte dieser im darauffolgenden Jahr Bildhauerzeichnungen aus. Dazu schickte er voraus, er schätze sich glücklich, dass es ihm gelungen sei, »fast alle großen und weltbekannten deutschen Bildhauer für die Ausstellung zu gewinnen und daß auch die jugendlichen Nachwuchskünstler nicht fehlen«. 35 Unter den Gezeigten waren mit Georg Kolbe, Richard Scheibe, Gerhard Marcks, Reinhold Langner, Wilhelm Lehmbruck, Bernhard Heiliger, Hans van Breek und Renée Sintenis oder Fritz von Graevenitz auch heute noch bekannte Künstler. Mit dieser Ausstellung habe er »erstmalig nach dem Zusammenbruch alle maßgeblichen deutschenMeister der Gegenwart vereint zeigen« 36 wollen, so Fichte. Dass unter den 23 namhaften Bildhauern auch Kohl mit vier Zeichnungen vertreten war, drückt jene Hoffnungen aus, die er selbst und seine Umgebung in seine Begabung setzten.
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