Leseprobe

zuerkennt.« 78 Neben den Gründungsmitgliedern stellten mit Max Christoph, Georg Kühn, Gisela Mulert, Herta Neu- bert, Kurt Preissler und Ingo Rosenhahn sechs weitere Künstlerinnen und Künstler aus, die – so wurde es dezidiert hervorgehoben – teilweise keine künstlerisch-akademische Ausbildung genossen hatten, da auch sogenannte Laien- künstler in der »Kaue« eine regionale Ausstellungsplatt- form erhalten sollten. Als eines der »besten ausgestellten Gemälde«wurde gar das Triptychon »NeueHeimat – Neues Leben« des Dekorationsmalers Max Christoph gelobt, der ganz »ohne jegliche akademische Vorbildung aus dem Handwerk« 79 kam. Die Künstlergemeinschaft repräsentierte mit den zwi- schen 1891 und 1927 Geborenen zwei Generationen regio- nalen Kunstschaffens, das sich spürbar an der Kunststadt Dresden orientierte. Häufig hatten die Künstlerinnen und Künstler der »Kaue« ihre Anfänge an der dortigen Kunst- gewerbeschule oder an der Akademie genommen. Die Anbindung wie auch Orientierung an Dresdener Mal- wie Bildhauertraditionen lässt sich darüber hinaus an der Zusammensetzung der Jury zur ersten Ausstellung der »Kaue« ablesen, der die Dresdener Maler Rudolf Bergander, Richard Birnstengel, Max Erich Nicola und der Bildhauer Otto Winkler angehörten. Der beabsichtigte Neubeginn auf dem Feld der Kunst zeichnete sich leise und hoffnungsvoll in einigenWerken zur ersten Ausstellung der »Kaue« ab – verstummte danach aber wieder. Gottfried Kohl zeigte auf dieser Ausstellung elf Arbeiten; eindrückliche Kohlezeichnungen, die Zeugnis von seiner Italienreise und seinen dortigen Begegnungen ablegten, aber auch fünf Holzplastiken, die einen heute kaum noch sichtbaren Schwerpunkt in seinem Werk setz- ten. Einen bemerkenswerten Schritt in seiner künstleri­ schen Entwicklung ging Kohl mit dem Gipsrelief »Arbeit« [S. 129]. Zusammen mit seinem»Achtundvierziger«-Denk­ mal [S. 130/131] markiert diese Arbeit einen formalen Auf- bruch in Kohls Werk, der von der nachfolgenden Formalis- musdebatte jedoch gebremst wurde. Auch die anderen an der ersten Ausstellung der »Kaue« beteiligten Künstler und Künstlerinnen zeigen, dass sie in ihren Werken zwar nach eigenständigen künstlerischen Lösungen für die Aufgaben und Themen der Zeit suchten, sichmit derWahl ihrer Sujets aber zumeist regional – in der ländlich geprägtenUmgebung, der Stadt oder imBergbau – verorteten. Neben versöhnlich wirkenden Stillleben und poetisch-malerischen Land- schaftsdarstellungen wählten sie Motive zu aktuellen Themen ihrer Zeit, die von körperlich schwerer Erntearbeit beim Kartoffellesen, vom Aufräumen der Trümmer beim gleichzeitigen Wandel des Stadtbilds und der Umgebung durch den (Wieder-)Aufbau der Bergbauindustriemit ihren neuen Hüttenbauten zeugen [Abb. 49, 50]. Diese – wenn auch gezügelte – Aufbruchstimmung wurde von der regionalen Presse gutgeheißen, da sie »keine leichte Oberflächenarbeit, spielerische Naturnachahmerei oder rätselhafte Formzertrümmerungsakrobatik« betreibe, sondern »die Beschauer zutiefst erfassen und vielfach anregen [wolle], sich mit den gewaltigen Aufgaben der Gegenwart auseinanderzusetzen«. 80 Ihre Orientierung an der Gegenwart ging jedoch im Verlauf der Ausstellungs- geschichte sukzessive verloren. Die Protagonisten der »Kaue« stellten imRhythmus von etwa zwei bis drei Jahren gemeinsam aus, erweiterten dabei mit dem Willen nach Erneuerung konstant ihren Künstlerkreis, während sie zugleich ihre Traditionen pflegten: 1951, 1954, 1958 , 1960, 1962, 1970, 1974, 1979, 1993, 1997, 1998 und 2008 fanden die weiteren Ausstellungen der »Kaue« in Freiberg statt. Zudem waren sie als regionale Künstlergruppe auf allen Bezirkskunstausstellungen in Karl-Marx-Stadt, Dres- den und Halle (Saale) vertreten. Neben dem Arbeitskreis sorbischer Künstler hatte keine andere Künstlergruppe in der DDR über so eine lange Zeit Bestand, weshalb das Studium der Freiberger Ausstellungsaktivitäten interes- sante Einblicke und Einsichten in die kulturpolitischen wie kulturgeschichtlichen Entwicklungen gewährt. Der ersten Ausstellung boten noch die Worte eines internationalen Künstlers, des französischen Bildhauers Auguste Rodin, Orientierung für die künstlerische Praxis der »Kaue«. Rodin gilt als Erneuerer des Kunst- und Skulpturenverständ- nisses, indemer die Plastik vomSockel holte, den einfachen Menschen in sein Repertoire aufnahm und somit eine Begegnung des Kunstwerksmit demBetrachter auf Augen- höhe ermöglichte. Die zweite Schau der »Kaue« 1951 folgte den Leitworten des deutsch-jüdischen, antifaschis­ tisch engagierten Schriftstellers und überzeugten Sozialis- ten Arnold Zweig. Perspektiven 43

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