Leseprobe

58 Gottfried Kohls plastisches Werk Im Stadtraum von Freiberg und Chemnitz, aber auch weiteren Städten wie Flöha, Mulda, Marien- berg, Pockau-Lengefeld oder Hohenstein-Ernstthal trifft man bis heute auf Gottfried Kohls Bronze- skulpturen. Nicht alle seine Schöpfungen haben die Zeiten überdauert. Doch selbst einige Repliken eingeschlossen sind es mit 63Werken allein imöffentlichen Raumerstaunlich viele; wenn auch nicht immer amursprünglichen Standort. Andere, die er als Brunnen konzipiert hatte, werden nicht mehr vom Wasser umspielt, sondern sind nun von Beeten oder Rasenflächen umgeben, wie auf der sogenannten Vogelwiese in Brand-Erbisdorf [S. 188]. Tierplastiken wie der »Esel mit Körben« [S. 186/187], der »Bär« [S. 184] oder der »Keiler« [S. 182/183] laden ausdrücklich zumSpielen und Klettern ein [Abb. 112]; sie zählen zu seinen besten Leistungen und sind bis heute populär. Figuren undGruppenwie die »Flötenspielerin« [S. 190, Abb. 90], »Kindmit Puppe« [S. 170, 171] oder »Stol- zer Vater mit Kind« [S. 202, Abb. 48, 91] zeugen motivisch wie in ihrer Ästhetik von einer – noch nicht allzu lange zurückliegenden – Vergangenheit. Mit kindlichem Spiel, der Familie, Sportlerinnen oder mit Tierplastiken betrafen Kohls Aufträge für den öffentlichen Raumunverfängliche Sujets, die dort der »ästhetischen Aufwertung unserer Umwelt zur Entspannung und zum Genuß«, wie es in einem zeitgenössischen Katalog heißt, 108 dem Wohlbefinden der Passanten, ihrer Freude, Geschmacksbildung und Anregung dienen sollten. Diese Anforderungen an plastische Werke im öffentlichen Raum wurden im Zusammenhang mit dem Wiederaufbau der Städte und der damit einhergehenden »komplexen Umweltgestaltung« intensiv diskutiert und konkret formuliert; ja, sie lagen den Auftragserteilungen zugrunde, wie Simone Simpson für Dresden darlegte. 109 In neu errichteten, noch nüchternen Neubaugebieten wie dem ab 1956 entstandenen Wohngebiet Wasserberg im Südwesten von Freiberg oder dem Flemminggebiet in Chemnitz mit ihren gleichförmigen Plattenbauten war dies ein ehrenwertes Anliegen sowohl des Künstlers als auch der örtlichen Kulturpolitik, die zahlreiche derartige Ankäufe möglich machte. Beispielsweise wurden in der Bezirkskunstausstellung in Karl-Marx-Stadt 1972 ausdrücklich die besten Leistungen in den Bereichen »Arbeitsumwelt«, »Freizeitumwelt«, »Wohn- umwelt« und »Umwelt für das Kind« zusammengetragen. 110 Diese Themen bewegten auchGottfried Kohl selbst ausdrücklich, wieWortmeldungen von ihm in der Presse zeigen; so schrieb er im Januar 1979 unter anderem: »Der Wohnungsbau ist bis heute noch wesentlich Addition von Baukörpern, stark geprägt von Gleichförmigkeit. Bildnerische Elemente reduzieren sich auf Farbgestaltung der Bauten, auf Gestaltung der Eingänge undweniges mehr. […] ein Lebensmilieu zu schaffen, das Funk- tionales und Ästhetisches glücklich vereint, ist ständige, schwierige und immer wieder neu zu lösende Aufgabe. […] Wir Künstler brauchen den Kontakt mit den künftigen Nutzern […]«; und schließlich: »Unsere Gesellschaft braucht […] die Kunst.« 111 Mit Ausnahme des 1978 errichteten Ensembles »Bergwerk« am Zugang zum Campus der TU Bergakademie Freiberg zwischen Bibliothek und Mensa [Abb. 88] und seines »Kristallbrunnens« von 1984 [Abb. 53] beschränkte sich Kohl bei seinenWerken für den Stadtraumauf figürliche Arbei- ten. Als er seineWerke von September 1983 bis Januar 1984 in Aachen und Köln ausstellte, merkte der KatalogautorWolfgang Becker an: »[…] figurative Lösungen erzielen den Applaus der Betrachter, der Spaziergänger, der sonntäglichen Bürger: sie sehen in ihnen ihre Schönheitswünsche verwirk- Gottfried Kohls Arbeiten im sich wandelnden Klima der DDR-Kulturpolitik

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