Leseprobe

92 Gottfried Kohls zeichnerisches Werk Wie die überlieferten Zeichnungen des jugendlichen Gottfried Kohl in Grafit, Kreide und Feder in schwarzer Tusche zeigen, bereitete er sich von früh an auf eine künstlerische Laufbahn vor. Durch die Lehre in der Holzschnitzwerkstatt seines Vaters Karl Kohl [Abb. 75] scheint ihm schon in jungen Jahren klar gewesen zu sein, dass seine Begabung auf dem Gebiet der Bildhauerei lag. So legte er den Schwerpunkt auf das Studiumder menschlichen Anatomie, zeichnete nach seiner eigenen linken Hand, nach Totenmasken, nach einem originalen menschlichen Schädel und vor allem nach männ- lichen und weiblichen Modellen und Aktmodellen [Abb. 125]. Diese fand er unter seinen Freunden bzw. in der Abendschule der Dresdener Kunstgewerbeschule. Kohl könnte also »auch das unent- geltliche Abendaktzeichnen für freischaffende Künstler bzw. Mitglieder der Reichskammer der bil- denden Künste besucht haben, das im Sommerhalbjahr 1933 vom Ministerium für Volksbildung eingeführt und mit einer Veranstaltung wöchentlich im Aktsaal der Kunstakademie ab 1936 von demKunstmaler Clemens Oskar Schanze und ab demWinterhalbjahr 1938/39 in dessen Vertretung vonWalter Sperling abgehaltenwurde«, wie die Archivarin der Dresdener Kunsthochschule, Simone Fugger von demRech, schrieb. 207 Ab 1940 fanden in der nun sogenannten Abendabteilung der Staat- lichen Akademie für Kunstgewerbe Dresden die Abendstunden im Aktzeichnen bei dem Bildhauer Kurt Dämmig statt; 208 doch wurde Kohl in jenem Jahr zur Wehrmacht eingezogen. Die frühesten Blätter sind von der Hand des Sechzehnjährigen erhalten. In anspruchsvollem Format und vielfach mit ausführlicher Beschriftung versehen, zeigen sie, wie bewusst der Jugend- liche sie als Zeugnisse einer künstlerischen Entwicklung verstand, die er zunächst nur als Plan ins Frühe Zeichenstudien Abb. 125 Gottfried Kohl, Hockender Frauenakt, 1937, Grafit, schwarze Kreide, 70×49 cm, Stadt- und Bergbaumuseum Freiberg, Inv.-Nr. 2020/183

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