35 Mit Araṉ von Ālavāy an meiner Seite, werde ich leicht besiegen jene blinden Narren mit Namen wie Candusena, Indusena, Dharmasena, den dunklen Kandusena und den Kanakasena, die wie Affen umherstreifen und weder gutes Tamil noch die Sanskrit-Sprache kennen. (Peterson 1991: 278) Der Vers veranschaulicht viele der Themen, die die śivaitische Bhakti-Poesie beleben: die Schaffung von festen Orten der Intimität zwischen Gott und den ihn Verehrenden und die harsche Polemik gegen die mächtigen buddhistischen und jainistischen Religionsgemeinschaften, die als unzivilisiert, ungebildet und verblendet abgelehnt werden. Für den Dichter ist Śiva, der im Tempel von Ālavāy immanent ist, keine ferne, transzendente Gottheit, sondern ein Gefährte, der den Dichter befähigt, seine Gegner zu besiegen und so die Überlegenheit des śivaitischen Pfades zu belegen. Während Campantar seine vernichtende Kritik nach außen richtet, ist Appar eher selbstironisch und beklagt seine Vergangenheit als Jain-Mönch. Zum Beispiel sagt er in IV.39.1: O Gott, der den Irrglauben durchstochen hat der mich befiel als ich mich den Jains anschloss und ein übler Mönch wurde! Oh helle Flamme, himmlisches Wesen der du als der reine Pfad dastehst, Stier unter den Unsterblichen, Honig, der in Tiruvaiyāṟu residiert! Ich wandere als dein Diener, deine Füße verehrend und besingend. (Peterson 1991: 286) Hier durchbricht die namenlose, transzendente Gottheit den Irrglauben des Dichters und wird gleich am lokalen Schrein von Tiruvaiyāṟu nahbar und zugänglich. Der Dichter begnügt sich jedoch nicht damit, an einem Ort verwurzelt zu bleiben, sondern wandert den Lobpreis Śivas singend umher, so dass das Land der Tamil*innen, das er so gut kennt, zur Heimat Śivas wird. Appar ist nicht allein in seinem Wunsch, das Land der Tamil*innen zur Heimat Śivas zu machen. Die Mūvar sangen insgesamt 275 Orte zur Heiligkeit, von denen 269 heute südindische Tempel sind. Besonders verbunden war Cuntarar mit Śiva im Tempel von Tiruvārūr in der fruchtbaren Kaveri-Region, wo er der Legende nach dem Gott zusammen mit seiner ersten Frau Paravai diente. Als er jedoch Tiruvoṟṟiyūr weiter nördlich besuchte, verliebte er sich in eine andere Frau, die er ebenfalls heiratete. Allerdings geschah dies unter der Bedingung, dass er sie und diesen Tempel niemals verlassen dürfe. Bald darauf brach Cuntarar, getrieben von den Erinnerungen an Ārūr, sein Versprechen und versuchte, dorthin zurückzukehren. Auf dem Weg dorthin wurde er mit Blindheit geschlagen. Viele Gedichte von Cuntarar sprechen ergreifend von seinem Kummer, von seiner tiefen Verbundenheit mit dem Gott von Ārūr und dem Schmerz der Trennung von ihm. In Cuntarars Gedichten ist Śiva ein Freund, Genosse und Gefährte, mit dem er schimpft, den er anfleht und mit dem er verhandelt. In einem Zyklus von Versen prangert Cuntarar Śiva dafür an, dass er ihm das Augenlicht geraubt hat, indem er einen bekannten Segensspruch – Mögest du lange leben – sarkastisch als Refrain verwendet: Í 2 Campantar. Prozessionsstatue aus der Zeit der Cōḻa-Dynastie, ca. 10. –12. Jahrhundert. Bronze, Höhe: 43 cm, Linden-Museum Stuttgart, Inv.-Nr. SA 33588 L. Foto: Dominik Drasdow.
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