Leseprobe

36 Soziale Bewegungen Tamilische Bhakti: Lieder der Liebe und Sehnsucht Du magst in Arur wohnen, zu dessen Hainen Aṉṟil-Vögel jeden Tag schwärmen! Was kümmert es dich, wenn dein Diener, der dir unermüdlich Loblieder singt, sich an dich klammert wie ein Kalb an das nährende Euter der Kuh, sein Augenlicht verliert, in die Berge läuft, in eine Grube fällt? Mögest du leben, lange leben, Herr! (Peterson 1991: 311) Zwei viṣṇuitische Dichter: Tirumaḻicai und Nammāḻvār Einer der frühen Āḻvār-Dichter ist Tiruma icai (ca. 7. Jahrhundert), der wahrscheinlich aus der gleichnamigen Stadt stammte, die heute ein Vorort von Chennai ist. Wir wissen nicht viel über sein Leben, obwohl die Legende erzählt, dass er durch Pēy Āḻvār in den Viṣṇuismus eingeführt wurde. Er verfasste zwei Gedichte, das Tiruccanta Viruttam (120 Verse) und das Nāṉmukaṉ Tiruvantānti (96 Verse), die beide im Nālāyira Divya Prabandham enthalten sind. Er ist berühmt für seine Weigerung, dem lokalen König von Kanchi durch seinen Gesang zu huldigen, was seine Verbannung zur Folge hatte. Sein Schicksal akzeptierend, bat er Viṣṇu im örtlichen Tempel, ihm in sein Exil zu folgen. Aus Liebe zu seinem Verehrer willigte Viṣṇu ein und erhielt damit den Titel Coṉṉa Vaṇṇam Ceyta Perumāḷ (der große Gott, der tat, was ihm gesagt wurde). Auch wenn sie historisch nicht belegbar sind, drücken solche Geschichten die symbiotische, sich gegenseitig aufrechterhaltende Beziehung zwischen Gott und Gottgeweihtem aus, die den Kern der tamilischen Bhakti-Erfahrung ausmacht. Í 3  Tiruma icai. Detail einer Skulptur des Künstlers Vidyashankar Sthapathi (*1938), ein Mitglied des Madras Art Movement. 1981, Kupferblech, Bronze- und Eisenteile. Höhe: 92,8 cm. Linden-Museum Stuttgart, Inv.-Nr. SA 07007. Foto: Dominik Drasdow. Í 4  Der Coṉṉa Vaṇṇam Ceyta Perumāḷ Tempel. Foto: Archana Venkatesan.

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