Leseprobe

80 Alltag Tamilische Küche Essen ist ein wichtiger Teil der Kultur (Srinivas 2011). Dieser Artikel befasst sich mit Essen in Pondicherry und bietet einen Rahmen und Kontext für das Verständnis der in der Ausstellung gezeigten Objekte und Fotografien zur tamilischen Küche. Er beruht auf Interviews mit zwei Frauen aus dem Sita-Kulturzentrum in Pondicherry, die an der Entwicklung der Ausstellung zur tamilischen Küche beteiligt waren. Das Land der Tamil*innen zeichnet sich durch drei Landschaften aus: Küsten, Ebenen und Bergland. Sie verfügen über je eigene kulinarische Besonderheiten. Charakteristisch für die Küche der Küstenstadt Pondicherry sind Fischgerichte (für Nicht-Vegetarier), insbesondere Meen Kozhambu, ein Fischcurry mit Tamarinde und Tomaten, das typisch für die ganze CoromandelKüste ist. Die Vielfalt der Esskulturen wird auch durch ländliche oder städtische Kontexte, die verschiedenen Kastengemeinschaften, Religionen und natürlich auch die sozialen Schichten weiter differenziert. Die in Indien weit verbreitete Vorliebe für eine überwiegend vegetarische Ernährung ist eng mit der Kastenidentität und auch mit politischen Diskursen verbunden. Vorstellungen von Reinheit und Unreinheit sowie die spezifische Kategorisierung von Lebensmitteln, die sich aus den alten, klassischen Schriften des Hinduismus ableiten, dienen einerseits der sozialen Dominanz der oberen Kasten über die unteren Kasten und die sogenannten Unberührbaren und sind andererseits Mittel der spirituellen Selbstdisziplinierung. Obwohl jede Familie ihre eigenen Rezepte bewahrt, kochen die Menschen auch Gerichte mit verschiedenen Einflüssen: Pondicherry ist durch die Nähe zu der Stadt Auroville und den französischen Einfluss kosmopolitisch geprägt. Die tamilische Küche: Eine materielle Grammatik, eingeschrieben in ein kulturelles Modell Die Einteilung der Mahlzeiten beruht auf einer Grammatik der Mahlzeiten und Zutaten. Das Frühstück besteht aus einem oder mehreren Gerichten und einem heißen Getränk wie Tee oder Kaffee, zumeist mit Milch. Ein typisches Gericht sind Iṭli (Idli), kleine gedünstete Klöße. Dafür lässt man einen aus Reis und eingeweichten, gemahlenen Linsen hergestellten Teig über Nacht gären. Morgens wird er noch einmal gemischt und gesalzen, dann in kleinen Formen gedämpft. Iṭli werden mit der Linsen-Gemüsesoße Cāmpār (Sambar) und verschiedenen Chutneys gegessen, etwa Tomaten-, Kokosnuss- und Zwiebel-Chutneys mit Erdnüssen. Iṭli werden oft auch in kleinen Straßenküchen gekauft. Der Tag wird oft durch Teepausen unterbrochen, zu denen man Tee mit süßer Milch und Gewürzen wie Ingwer, Kardamom, Pfeffer und Nelken trinkt. Das Mittagessen kann zu Hause oder am Arbeitsplatz gegessen werden. Da oft keine Kantinen vorhanden sind, aus wirtschaftlichen Gründen und da viele Menschen lieber hausgemachte Speisen essen, kochen die Frauen bereits morgens das Mittagessen, das sich in stapelbaren Behältnissen leicht transportieren lässt. Es besteht oft aus weißem Reis mit einer Soße wie Kōḻampu (kozhambu) und weiteren Beilagen, wie etwa Pōriyal (Poriyal), einem Gemüsegericht. Frauen bevorzugen oft die Einfachheit des »Variety Rice«, der bereits gewürzt ist und daher ein eigenständiges Gericht darÍ 2  Fischmarkt. Foto: SITA-Kulturzentrum, Pondicherry. Í 1  Marktstand mit Gewürzen, Hülsenfrüchten, Reis und anderen Lebensmitteln in Pondicherry. Foto: SITA-Kulturzentrum, Pondicherry. √

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