Leseprobe

83 Stadt stammen. Für die Mittelschicht sind sie Gegenstand neuen Denkens über gesündere Ernährung, auch im Kontext der mit der Übertragung von Covid-19 verbundenen Ängste. Menschen aus der Unterschicht ignorieren sie jedoch vielleicht, da Kirāy zwar günstig sind, aber zu sehr mit Zeiten der Knappheit in Verbindung gebracht werden. Das Wissen über die Eigenschaften von Kirāy ist in der Bevölkerung ungleich verteilt: Männer kennen einige davon, weil sie oft diejenigen sind, die auf dem Markt einkaufen. Sie sind jedoch kaum mit den Zubereitungsmethoden vertraut. Das Wissen darüber wird von den Großmüttern an die Töchter und Enkelinnen weitergegeben – vorausgesetzt, diese sind interessiert. Das ist nicht immer der Fall, denn die jüngeren Generationen bevorzugen einen globalisierteren Ernährungsstil, der oft aus Fertiggerichten besteht und mit den großen Marken assoziiert wird, die als Symbol der Urbanität und Modernität erscheinen (Staples 2014). Der Akt des Essens als Beziehung zwischen Mensch und Umwelt, Körper und Seele Ohne dass der Mensch sich dessen unbedingt bewusst ist, antwortet der Akt des Essens auf dreierlei Bedürfnisse (Sujatha 2015): Zum einen geht es um das Wohlbefinden des Menschen und sein körperliches Bedürfnis nach Nahrung. Essen wird aber auch als Heilmittel betrachtet, und das Wissen um seine heilende Wirkung wird oft von Männern und Frauen geteilt. Es sind jedoch meist allein die Frauen, die über das Wissen um die richtige Zubereitung verfügen, denn bestimmte Kirāy verlieren ihre gesundheitsfördernden Eigenschaften oder werden sogar schädlich, wenn sie nicht richtig zubereitet werden. Es gibt Überschneidungen zwischen solchen Blättern, die als Kirāy gegessen werden, und solchen, die als Mulikai, Heilkräuter, Verwendung finden. Viele Einwohner von Pondicherry raten je nach Jahreszeit zu bestimmten Kombinationen von Lebensmitteln, die auf den diesen zugeschriebenen Qualitäten beruhen und auch im Zusammenhang mit Vorstellungen von Wärme und Kühle stehen, die sie im Körper hervorrufen. Konzepte von Krankheit sind sowohl im volkstümlichen als auch im Verständnis der Gelehrten eng mit der Ernährung verbunden (Sujatha 2015). Viele Gewürze werden sowohl aufgrund ihres Geschmacks verwendet als auch aufgrund ihrer oft vielfältigen heilenden Eigenschaften. Zum Beispiel werden Frauen nach der Geburt eines Kindes mit Pfeffer geÍ 7  Gemüse: Moringa, flache Bohnen, Schlangenhaargurke, Schwammkürbis, Flaschenkürbis, Chayote, Auberginen, Bitterkürbis, Rettich, Okra. Foto: SITA-Kulturzentrum, Pondicherry. Í 8  Gewürzpulver: Kurkuma, Kreuzkümmel, roter Chili, Koriander, Hähnchen-Masala, Fisch-Masala. Foto: SITA-Kulturzentrum, Pondicherry.

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