Leseprobe

170 Religiöse Vielfalt Buddhismus und Jainismus in der tamilischen Kulturgeschichte Neben der Wiederentdeckung der frühen jainistischen und buddhistischen tamilischen Literatur im späten 19. Jahrhundert enthüllten auch andere Entdeckungen allmählich den Beitrag der Jains und Buddhisten zur Entstehung der tamilischen Kultur: Veröffentlichungen von Übersetzungen der Reiseberichte des chinesischen Pilgers Xuanzang durch Indien im siebten Jahrhundert (Französisch 1853, Englisch 1884) zeigten, dass die Tempelstadt Kanchipuram damals eine große buddhistische Gemeinde hatte. Dazu gehörten hundert Klöster, 10 000 Mönche sowie ein monumentaler Stūpa, der angeblich im dritten Jahrhundert v. Chr. von Kaiser Aśoka errichtet wurde, der für seine Unterstützung des Buddhismus bekannt war. Die Entdeckung einer großen, zwei Meter hohen stehenden Statue des Buddha im Kāmākṣī-Tempel der Stadt im Jahr 1906 schien zu bestätigen, dass der Buddhismus, vor dem Aufstieg des devotionalen Hinduismus in der Tat ein bedeutenderer Aspekt der frühen Geschichte Kanchipurams gewesen war. Weitere Funde und Ausgrabungen haben die frühe buddhistische Präsenz in der Stadt und ihrer Umgebung bestätigt. Die im Cilappatikāram und Maṇimēkalai dargestellte Welt war eine Welt der Herrscher und Kaufleute, die Jains und Buddhist*innen in Städten im Landesinneren, etwa Kanchipuram und Madurai, sowie in den florierenden Häfen der Ostküste, etwa in Puhar (Poompuhar bzw. Kaveripumpattinam), unterstützten. Weitere archäologische Entdeckungen bestätigten das sich abzeichnende Bild vom Beitrag des Buddhismus zur frühen tamilischen Geschichte. Die Veröffentlichung einer Kupfertafel-Inschrift aus der Bibliothek der Universität Leiden in den Niederlanden in den 1880er Jahren enthielt nicht nur eine detailliertere Genealogie der Cōḻa-Könige als bisher bekannt, sondern hielt auch fest, dass im elften Jahrhundert ein buddhistisches Kloster in der Cōḻa-Hafenstadt Nagapattinam errichtet worden war.1 Nur zwanzig Jahre zuvor, im Jahr 1867, hatten viele den Abriss der letzten Ruinen dieses Klosters beklagt. Die Erkenntnisse zur Bedeutung von Nagapattinam als einem wichtigen Zentrum des tamilischen Buddhismus mit Verbindungen in das gesamte maritime Asien haben seit Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts zugenommen. Í 4  Drei sitzende Buddha-Abbildungen, Granit, 9. –10. Jahrhundert, Pallur bei Kanchipuram. Foto: Emma Natalya Stein.

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