Modus in philosophischen und moralisierenden Gedichten über Heldentum und Krieg auftreten. Die TiṇaiEinteilung liefert kritische Werkzeuge zum Verständnis tamilischer Literatur, Musik und darstellender Kunst auf allen Ebenen der Kultur – traditionelle Folklore, klassische Elitekünste, zeitgenössische Populärkultur, kommerzielle und experimentelle Kunst. Fragte man, ob die Trennung von Liebenden nicht beispielsweise auch in einer Berglandschaft stattfinden kann, würde das Tolkāppiyam antworten, dass jedes menschliche Drama sich natürlich in jeder physischen Landschaft abspielen kann, dass aber die poetische Landschaft (Tiṇai) eines Gedichtes allein von dessen emotionalem Inhalt abhängt. Dies macht die Tiṇai zu inneren Emotionslandschaften, die auf äußere, physische Landschaften Bezug nehmen. Das System ist von großer Komplexität und verbindet zahlreiche Unterkategorien und wechselseitige Bezüge der Gegensätze akam (innerlich, befasst mit Liebe) und puṛam (äußerlich, befasst mit Krieg). Diese antike tamilische Poetik und ihre Sicht auf das Wissen über die Welt waren für die tamilische Gesellschaft jedoch bis zur Wiederentdeckung der Caṅkam-Literatur im 19. Jahrhundert nicht leicht zugänglich. Die Wiederentdeckung der antiken TamilLiteratur und ihre Auswirkungen Die unablässigen Bemühungen von U.V. Swaminatha Iyer (1855–1942), alte Texte klassischer Tamil-Literatur über einen Zeitraum von fünf Jahrzehnten zu suchen, zu sammeln, herauszugeben und zu veröffentlichen, führten zur Wiederentdeckung der Caṅkam-Literatur. U.V. Swaminatha Iyer veröffentlichte über 90 Bücher und sammelte fast 3000 Manuskripte im Laufe seines Lebens. Seine Arbeit, gemeinsam mit der Arbeit von C.W. Damodaram Pillai (1832–1901) motivierte zahlreiche weitere tamilische Gelehrte, frühe literarische Werke in Tamil zu suchen, zu sammeln und erstmals gedruckt herauszugeben. Der so entstandene Korpus der wiederentdeckten Texte führte zu Diskursen über die Einzigartigkeit tamilischer Kultur und die Bedeutung des literarischen Erbes in tamilischer Sprache – eine Bewegung, die als »Tamil-Renaissance« bekannt wurde. Die Poetik der Caṅkam-Literatur und ihre Klassifikationen als aham (innerlich) und puṛam (äußerlich) in binärer, sich wechselseitig formender Beziehung, erwachten mit U.V. Swaminatha Iyers Veröffentlichungen Í 3 Marutam-Landschaft bei Theni, Tamil Nadu. Foto: Seekan Paul, Villupuram, Tamil Nadu. 13
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