Leseprobe

13 Der Begriff »Bildhauerzeichnung« impliziert eine Verbindung zwischen der Zeichnung und rund- plastischen Kunstwerken, die aber keineswegs direkt sein muss. Dieses Buch zeigt mit den ange- sprochenen Schwerpunkten und Fehlstellen einige Aspekte des Mediums. Die Zeichnung ist autono- mes, ästhetisches Werk, figuriert im Prozess, und sie ist Werkzeug in einem doppelten Sinne, spielt eine Rolle in der Vorstellung von Machenden und Wahrnehmenden. Die Verschachtelung der Funk- tionen, von Genese und Geltung, macht ihre Be- sonderheit aus. Es lohnt sich, hier kurz einen Künstler zu erwäh- nen, der im Buch fehlt, sich kaum über Zeichnun- gen geäußert hat (und dessen überlieferte Blätter sich vorwiegend in Privatbesitz befinden), aber ein grundsätzliches Problem in die deutschsprachige Diskussion eingeführt hat. Inspiriert vom Maler Hans von Marées (1837–1887), beschrieb Adolf von Hildebrand (1847–1921), wie jedes flache Bild räumlichen Aufbau suggeriert, und schloss von einer geordneten und übersichtlichen Komposition in der zweidimensionalen Wahrnehmung auf Not- wendigkeiten für die Anordnung der plastischen Teile. Die fundamentalistische Rückkopplung war nicht förderlich für seinen Nachruhm, aber das Aufregende bei Hildebrand ist, wie er mit der Kom- plexität der Erfahrung hadert und zwei Richtun- gen benennt und durchdenkt: erstens im Sinne des Bildes in die virtuelle Tiefe hinein und zweitens aus dem Wissen über den wahrgenommenen Kör- per in den imaginierten Umraum (der sich ir- gendwo in der Tiefe des Bildes befindet) hinaus- wirkend. Jede Form von Sehen basiert auf dem Erkennen nicht nur des Gegenstands, sondern auch der innerhalb des jeweiligen Bildes gültigen Logik, die aus seinem Aufbau folgt. Hildebrand dachte, dass im Kunstwerk alle gegensätzlichen Erfahrun- gen aufgelöst werden. Wir sehen heute in sicht- baren Widersprüchen den visuellen Reiz. Die ein- fache Frage, worauf die Zeichnung verweist, er- öffnet eine Unzahl an Perspektiven. Die wissenschaftliche Koordination und Organi- sation der Publikation lag in den Händen von Maja Brodrecht. Sie legte 2016 eine wichtige Disserta- tion über Angelica Facius (1806–1887) vor, mit der sie einiges an kunsthistorischen Wissenslücken, auch bei Mitgliedern der AG Bildhauermuseen, schließen konnte. Von ihr stammen die Einführung und auch die Idee für unseren Titel. Die scheinbar endlosen E-Mail-Schleifen zwischen ihr und eini- gen Beitragenden haben dem Buch gut getan. Kol- legialität ist der eine Teil unserer AG, Augenhöhe, freundliche Kritik und Professionalität der andere. Allen Autorinnen und Autoren sei sehr herzlich für ihren Beitrag und ihr Engagement gedankt – und wir wissen, dass im Hintergrund noch viele andere Personen aktiv waren. Der Vorstand der AG hat sich für die Publikation für die Zusammen- arbeit mit dem Sandstein Verlag aus Dresden ent- schieden. Auch das war eine gute Idee. Ich danke den an der Produktion des Buches Beteiligten, al- len voran der Gestalterin Nele Bielenberg und den Lektorinnen Adrienne Heilbronner und Sina Volk. Wie auch unsere beiden vorigen Publikationen wurde die vorliegende Sammlung maßgeblich von der Ernst von Siemens Kunststiftung gefördert, unterstützt vom Freundeskreis des Gerhard-Marcks-­ Hauses e.V. Den Förderern und allen Mitglieds­ institutionen ist es zu verdanken, dass wir mit einem unserer AG entsprechenden »echten Nischenthema« an die Öffentlichkeit treten können. Arie Hartog Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft Bildhauer- museen und Skulpturensammlungen e.V.

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