Leseprobe

Die Bildhauer des Retabels 49 ten dem Körper unter und folgen oft schräg gezogen dessen Bewegung. Auffallend ist das Interesse an einer minutiösen Darstellung von Schmuck und Kleidungsdetails. Mit gro- ßer Sorgfalt wurden die Gewänder ausgearbeitet, stofflich strukturiert und feine Granatapfelmuster im Stein geschnit- ten (Abb. 55) . 81 Vor allem in diesen kleinteiligen, zur Nah- ansicht animierenden Details äußert sich die Handschrift Hans Dauchers als herausragender Meister des Kleinreliefs. reich und gestikulierend wenden sich die Könige im Ge- spräch einander zu (Abb. 48, 49, 53, 54) . Die feinfühlige, teils theatralisch gesteigerte Darstellung unterschiedlicher Charaktere und Stimmungen entspricht dem künstleri- schen Stil Hans Dauchers. Die breiten Gesichter mit etwas eng stehenden Augen und nur schwach geschwungenen, fast kantigen Augenbrauen wirken teils nachdenklich, teils angespannt, bisweilen aber auch mürrisch und zornig (Abb. 47) . Sie sind das Werk des fähigen Porträtisten, der überzeugend Gefühle und menschliche Individualitäten in Stein zu meißeln vermochte. Ähnliche Gesichtstypen fin- den sich auch bei anderen Werken Dauchers, wie beispiels- weise dem Johannes im Londoner Victoria & Albert Mu- seum (Abb. 56) . 79 Auch die Faltenbildung der Gewänder entspricht dem Stil der zweifelsfrei von Hans Daucher geschaffenen Bildwerke. 80 Es dominieren schmale, oft har- te Faltenstege mit scharfen Y-förmigen Verläufen und lin- senförmigen Mulden. Letztere sind auffallend flach gehal- ten und vermitteln den Eindruck eines nassen, am Körper »klebenden« Stoffs. Insgesamt ordnen sich die Gewandfal- Abb. 54 Hauptaltar, zwei Könige des Alten Bundes im Gespräch, Aus­ schnitt aus dem unteren Register des Mittelteils 79 Johannes aus einer Kreuzigungsgruppe von Hans Daucher, Kalk- stein, um 1523/24, London, Victoria & Albert Museum, Inv.-Nr. 49–1864. Thomas Eser charakterisiert die von Hans Daucher bevorzugten Gesichtstypen als »pointierte Physiognomien« siehe Eser 1996, S. 49. 80 Als Vergleichsbeispiele seien hier die Epitaphe Adelmann (Holz- heim bei Dillingen) und Funk (Augsburg, Maximilianmuseum) genannt. Auch auf dem Augsburger Kleinrelief Maria mit dem Kind ist das charakteristische Faltenbild nachvollziehbar. 81 In gleicher Weise sind die Gewänder der Figurengruppe des Fugger- Altars gestaltet.

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