Leseprobe

66 »gestapelte« Retabelaufbau unterschied sich jedoch grund- sätzlich von dem Annaberger Steinaltar. In unserem Zusammenhang von größerer Relevanz ist das zwischen 1518 und 1520 entstandene, etwa sechs Meter hohe Sakramentshaus aus verschiedenfarbigen Dekorsteinen. 120 Wiederum verdanken wir die Kenntnis seines einstigen Aus- sehens einer Eisenradierung von Daniel Hopfer (Abb. 87) . 121 Demnach zeigte der hochrechteckige, seitlich von Pilastern eingefasste architektonische Aufbau im offenen Untergeschoss das heilige Abendmahl und darüber – zu beiden Seiten einer vergitterten Monstranznische – die Figuren von Johannes dem Täufer und der heiligen Barbara. Bekrönt wurde das prächti- ge Tabernakel von einem schmalen Dreiecksgiebel, auf dem sich freiplastisch ein Kruzifix mit der knienden Maria Mag- dalena erhob. Allein die letztgenannte Gruppe blieb von dem Werk erhalten. 122 Das 135 Zentimeter messende Kruzifix mit der knienden Heiligen aus sehr hellem Jurakalkstein wird der Werkstatt Gregor Erharts zugewiesen (Abb. 88) . 123 1724 wur- de das offenbar spektakuläre Sakramentshaus abgebrochen, weil es » […] sehr unbequem zu steigen […] « war. Bemerkens- werterweise berichten die historischen Chroniken ausdrück- lich, dass es ein » […] rarer und schöner Tabernakel ziemlicher Höhe von weiß und rothem Marmor, die Säulen von Jaspis […] « gewesen sei. 124 Die dem Annaberger Altar ähnliche Steinauswahl ist auf- fallend. Adolf Daucher besaß hinsichtlich des Vertriebs und der Verarbeitung der besonders kostbaren roten und strah- lend weißen Kalksteine in Augsburg sehr wahrscheinlich eine Monopolstellung. Es ist deshalb gut vorstellbar, dass es sich bei dem Sakramentshaus aus »weiß und rothem Marmor« um ein weiteres gemeinsames Werk von Adolf Daucher mit sei- nem Schwager Gregor Erhart und dessen Werkstatt handel- te. Es entstand zwischen 1518 und 1520 – also unmittelbar vor dem Annaberger Altar. Ob an dem Figurenschmuck auch Hans Daucher beteiligt war und welchen Anteil Gregor Erhart an den Skulpturen tatsächlich hatte, bleibt freilich Abb. 84 Augsburg, Klosterkirche St. Anna, Fuggerkapelle, Hans Daucher, Altar mit Fronleich­ namsgruppe, 1517, Kalkstein 120 Teget-Welz 2021, S. 76. 121 Metzger 2009, Kat.-Nr. 35 (Andreas Tacke), S. 358 f. 122 Kunstsammlungen und Museen Augsburg, Maximilianmuseum, Inv.-Nr. 1326. 123 Teget-Welz 2021, S. 76. 124 Siehe Welz, Karl und Emerich Ruef: Geschichte der deutschen und hernach Sächsischen Provinz Pred. Ordens. Manuskript im Archiv des Bistums Augsburg, ABA Hs. 90 Bd. 3, 1810, S. 35. Zitiert nach Metzger 2009 Kat.-Nr. 35, (Andreas Tacke), S. 359, Anm. 6. 125 Nach den Untersuchungen von Ute-Nortrud Kaiser besaß aber der dreigeschossig-dreiachsige Typus des Steinaltars um 1520 in der Augsburger Kunst durchaus eine gewisse Verbreitung. Siehe Kaiser 1978, S. 74–79.

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1