Leseprobe
Zur Einordnung in die Kunst Augsburgs 67 ungewiss. Die enorme Ausstrahlung, die das polychrome Steinbildwerk auf die Bildhauerkunst hatte, verdeutlicht vielleicht der schon erwähnte Wolfstein-Altar in Eich- stätt. Bei dem kurze Zeit später von Loy Hering geschaf- fenen Werk aus hellem Kehlheimer Kalkstein wurde im Zuge einer teilweisen Polychromierung die Rückwand des Retabels mit roter Farbe gefasst, sodass mit den hellen Kalksteinreliefs vor roter Rücklage insgesamt ein rot- weißer Farbklang entstand (Abb. 83) . Vielleicht beabsich- tigte der Stifter des Wolfstein-Altars eine dem bekannten Augsburger Tabernakel ähnliche Farbwirkung, die in Ermangelung des kostbaren roten Steins mit einer Farb- fassung imitiert wurde. Zumindest erscheint der Wolf- stein-Altar wie ein Reflex auf das offenbar bewunderte rot-weiße Tabernakel in Augsburg. Zugleich offenbart es die besondere Wertschätzung von Architekturbildwerken aus farbigen »Marbelstainen« , für die vor allem die Dau- cher-Werkstatt bekannt war. Vielleicht war das Augsbur- ger Tabernakel auch jenes Werk, dessen Oberflächenbe- arbeitung Herzog Georg bei seinem Besuch in der Daucher-Werkstatt im Sommer 1518 beobachten konn- te und das seinen Wunsch nach einem ähnlich farbigen Marmoraltar für Annaberg festigte. Eine direkt mit dem Annaberger Altar vergleichbare Retabelform ist indes unter den wenigen überlieferten oder fragmentarisch erhaltenen Steinaltären in Augs- burg und Umgebung nicht zu finden. 125 Mit seiner dem traditionellen Triptychon angenäherten Gesamtform wirkt er wie ein in Stein gehauener Flügelaltar, der von Architekturelementen der Renaissance eingefasst und Abb. 85 Hieronymus Hopfer (um 1500 – nach 1550), Herwart- Altar, um 1521, Eisenradierung, 29,8×21,2 cm, Staatliche Kunst sammlungen Dresden, Kupferstich-Kabinett Abb. 86 Jörg Seld (um 1448/5–1526/27) und andere Augsburger Meister, Vogelschauplan von Augsburg, 1521, Holzschnitt, koloriert; Kunstsammlungen und Museen Augsburg, Grafische Sammlung, Ausschnitt Magdalenenkirche (1), Moritzkirche (2) und Fuggersches Stadtpalais (3) 1 2 3
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