Leseprobe

B ernardo Bellotto war ein Sohn von Lorenzo Bellotto und Fiorenza Domenica Canal, einer Tochter des Bühnenbildners und Theaterdekorateurs Bernardo Canal. Ein Bruder der Mutter war Giovanni Antonio Canal, genannt Canaletto. Bevor dieser Künstler als Schöpfer zahlreicher Veduten berühmt wurde, halfen er und sein Bruder Cristoforo ihrem Vater mehrere Jahre lang beim Malen von Bühnenbildern für Theateraufführungen.1 In jener Werkstatt von Canal erlernte der junge Bernardo in den Jahren zwischen 1735 und 1743 seinen Beruf. Gemäß der gängigen Praxis wurde ein Schüler zunächst mit der Anfertigung von Zeich- nungen und Radierungen betraut und erst später mit Ölgemälden. Bellottos Zeichnungen, die während seiner Lehrjahre bei Canal entstanden, zeigen, dass der junge Künstler zunächst diesel- ben Ansichten von Gebäuden, Straßen und Kanälen wiederholte, die auch in den Gemälden seines Onkels auftraten (Abb. 1). Canal, selbst geübt im Einsatz der Camera obscura , führte sicherlich auch seinen Neffen in die Geheimnisse der Verwendung dieses Geräts ein, das eine realistische Darstellung von Gebäuden und anderen Objekten, aber auch die Korrektur perspektivischer Ansichten ermöglichte.2 Der Kunststudent verbesserte seine zeichnerischen und malerischen Fähigkeiten, fertigte mit der Zeit auch erste Kompositionsskizzen für vom Meister vorbereitete Arbeiten an und führte schließlich bestimmte Teile in Gemälden Canals aus.3 Während des Aufenthalts im Atelier seines Onkels hatte der junge Künstler zudem Gelegenheit festzustellen, welch wichtige Rolle Radierungen, die Bildkompositionen wieder- holen, bei der Vermarktung der eigenen künstlerischen Arbeit spielen konnten.4 Während seiner Ausbildung eignete sich Bellotto Stil und Maltechnik von Antonio Canal so sehr an, dass einige Zeitgenossen – und auch die Nachwelt – Schwierigkeiten hatten und haben, zwischen bestimmten Werken des einen und des anderen Künstlers zu unterscheiden.5 Zusätzliche Probleme bereitete die Tatsache, dass der junge Künstler ab etwa 1743, also nachdem er die Werkstatt von Canal verlassen hatte, zum Signieren seiner Gemälde auch Abb. 1 GIOVANNI ANTONIO CANAL Der Platz vor SS. Giovanni e Paolo in Venedig , um 1725 Öl auf Leinwand, 125 × 165 cm Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Gal.-Nr. 582. Detail aus Abb. 1 √

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