Leseprobe
91 dessen Beinamen »Canaletto« nutzte.6 Dies sollte auf die enge Bindung Bellottos zu seinem Lehrer hinweisen. Es konnte aber auch dazu beitragen, das Interesse potenzieller Käufer an den Werken des damals noch wenig bekannten Malers zu steigern.7 Im Alter von 16 Jahren wurde Bellotto in die Fraglia dei Pittori (Maler-Bruderschaft) aufgenommen, in deren Verzeichnissen er bis 1743 geführt wurde. Die Aufnahme in die Bruderschaft sicherte ihm eine berufliche Unabhängigkeit und ermöglichte den Verkauf seiner eigenen Arbeiten. Die Einträge im Verzeichnis der Fraglia bilden neben den im Hessi- schen Landesmuseum Darmstadt aufbewahrten frühen Zeichnungen des Künstlers die hilf- reichste Quelle zur Identifizierung seiner frühen Werke.8 Eine der ersten Meinungsäußerungen zum Talent des heranreifenden Malers stammt vermutlich aus einem Tagebuch des Druckers und Antiquars George Vertue, in dem dieser notierte, dass der Künstler, den er als »Canaletto den Jüngeren« bezeichnet, merkliche Fort- schritte mache und sich allmählich in seinem Metier weiterentwickele.9 Dem Beispiel seines Oheims folgend, malte Bellotto Ansichten von allen charakteristi- schen Orten Venedigs. Ansichten der Uferzone in der Nähe des Dogenpalasts erlaubten die Darstellung der Handels- und Kriegsflotte, die der Stadt ihren Reichtum und ihre inter nationale Position gesichert hatte. Das auf den Gemälden wiedergegebene Uferbecken an der Piazza San Marco ist üblicherweise mit zahlreichen Schiffen gefüllt, welche am Ufer andocken oder in See stechen. Die politische und militärische Macht der Stadt wurde auch in den Ansichten Campo dell’Arsenale und Piazzetta, Blick nach Norden (beide in der National Gallery of Canada, Ottawa) des Oheims betont. Am Tor zum Arsenal sind zwei mächtige Löwenfiguren zu sehen, die aus Athen hierher transportiert wurden und an die Eroberung von Morea (heute Peloponnes) durch die Republik Venedig während des Krieges von 1684 bis 1699 erinnern. Vor der Eingangsfassade des Gebäudes stellte man außerdem Marmorfiguren auf, die mythische Götter symbolisieren. Abb. 2 BERNARDO BELLOTTO Rio dei Mendicanti und Scuola di San Marco , ca. 1740/41 Öl auf Leinwand, 42 ×69 cm Venedig, Gallerie dell’Accademia di Venezia, 494.
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