Leseprobe
109 Abb. 1 BERNARDO BELLOTTO Capriccio mit dem Turm von Malghera , 1743/44 Öl auf Leinwand, 37,3 ×62,2 cm Bristol Museum & Art Gallery, Inv. K5269. Doch hat Bellotto für seine Veduten nicht nur behutsam die örtlichen Gegebenheiten manipu- liert, sondern auch aus dem Fundus geschöpft, den die Künstler vor ihm hinterlassen hatten.10 Schon Gregor Weber formulierte treffend: »Der hohen Wahrhaftigkeit der Veduten zum Trotz darf nicht vergessen werden, daß sie selbst innerhalb einer Maltradition stehen, das Material der Kunstgeschichte voraussetzen und nach bestimmten Formeln erdacht und ausgeführt sind.«11 Welche Rolle also spielte die Tradition der Landschaftsmalerei für Bellottos Schaffen?12 GROSSE FUSSSTAPFEN: ANTONIO CANAL ALS VORBI LD UND MOT IVL IEFERANT Naheliegend sind Motivübernahmen des Neffen von seinem Onkel. Dieser schuf eine Reihe von Radierungen, die Bellotto teils genau in Gemälde übersetzte. So malte er noch in Italien zwei Capricci , die Radierungen Canals zum Vorbild haben. Im Falle des Capriccio mit dem Turm von Malghera (Abb. 1) nahm Bellotto gegenüber der Radierung Canals (Abb. 2) nur wenige Veränderungen vor. Er reduzierte die Anzahl der Staffagefiguren deutlich und machte im Hintergrund eine Kirche sichtbar, die sich bei Canal nur erahnen lässt. Wo letzterer durch das Anschneiden einer venezianischen Gondel links die Ausschnitthaftigkeit der Szenerie betonte,
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