Leseprobe

184 DER BI LDTRÄGER Die Leinwände, die Bellotto für seine Dresdner Darstellungen nutzte, sind in einfacher Leinen- bindung gewebt. Zunächst sind es feinere Webdichten und breitere Leinwandbahnen, mit denen er die gesamte Bildhöhe überspannen konnte.8 Die starken Überdehnungen an den Zugpunk- ten entlang der Webkanten der beiden Waagerechten und die sehr knappen Spannkanten – hier läuft die Malfläche fast bis zur Webkante – zeigen deutlich, wie der Maler versuchte, sein gewähltes Format mit dieser Leinwand zu realisieren. In den späteren Bildern verwendete er mehrheitlich eine etwas gröbere Leinwand mit schmalerer Webbreite.9 Ideal ist es, eine Lein- wand in einem Stück zu verwenden. Ist das nicht möglich, muss ein zusätzliches Leinwand- stück angesetzt werden. Dies erfolgte, indem zwei Webkanten Stoß an Stoß aneinandergelegt und mit einer Flachnaht verbunden wurden (Abb. 2 und 3). Üblicherweise befindet sich die Naht im unteren Bildbereich auf einer Höhe von ca. 20 bis 25 cm, mit einer Ausnahme bei der Dar­ stellung Die ehemaligen Festungswerke von Dresden von 1749/50 (Abb. 4). Bei diesem Gemälde befindet sich die Naht im Bereich des Himmels und zeichnet sich deutlich ab. Die Ursache dafür kann nur in einem fehlerhaften Beginn der Anlage des Himmels vermutet werden. Ver- mutlich hat Bellotto im Anfangsstadium den ersten Arbeitsschritt verworfen und das Bild auf den Kopf gestellt, um die Anlage des Himmels noch einmal neu zu beginnen. Sichtbare hell- blaue Farbtöne in Farbfehlstellen des jetzigen Bildvordergrundes deuten darauf hin. Die Naht hat im Spannungsgefüge des Leinwandverbundes besondere Belastungen auszuhalten und gilt damit als Schwachstelle. Auswirkungen sind am Gemälde Die ehemalige Kreuzkirche in Dresden (s. S. 37, Abb. 10) ablesbar. Die in diesem Fall senkrecht verlaufende Naht war aufgrund der Kontraktion der Leinwand durch den Kontakt mit dem wässrigen Abb. 2 BERNARDO BELLOTTO Der Zwingergraben in Dresden , um 1751/52 Öl auf Leinwand, 134× 237 cm Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Gal.-Nr. 609. Abb. 3 Detail aus Abb. 2: Flachnaht im Bereich der Anstückung von zwei Leinwänden.

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