Leseprobe

185 Leim- und Kleister-Gemisch während des Doublierungsprozesses im 19. Jahrhundert zum großen Teil aufgerissen. Eine Zusammenführung war aufgrund der Doublierung nicht möglich, sodass die Lücke mit einer Leinwandintarsie ausgefüllt werden musste (Abb. 5). Die so nach- träglich entstandene größere Malfläche musste durch die Retusche integriert werden, was an der linken Fensterreihe der vorderen Turmfront sichtbar wird. Diese ist daher im Vergleich zu der gegenüberliegenden etwas breiter geworden. Wie die ursprüngliche Aufspannung der Leinwand während des Malprozesses ausgese- hen hat, ist schwer zu rekonstruieren. An keinem der Bilder ist eine solche erhalten geblieben und wertvolle Hinweise zum Grundiervorgang und der ersten Aufspannung sind verloren gegangen. Sich immer wieder gleichende Nagelspuren, wie sie entlang der Spannkanten an allen Gemälden zu finden sind, deuten auf zwei verschiedene Aufspannungszustände während der Grundier- und Malphase. Im Bereich der Webkanten sind die Spannkanten – wie bereits erwähnt – äußerst schmal und die Zugpunkte stark überdehnt. Die beschnittenen Leinwand- kanten allerdings sind breiter. Sie wurden leicht eingerollt, um die Leinwand vor dem Aus­ fransen zu schützen. Diese Spuren lassen die holländische Spannmethode vermuten, die wohl für den ersten, den roten Grundierauftrag, praktikabel war. Dabei wird die Leinwand mittels eines Fadens innerhalb des Holzrahmens aufgespannt. Mit dieser Methode vereinfacht man das wiederholte Nachspannen der sich dehnenden Leinwand, das in der Vorbereitung not- wendig ist. Im weiteren Arbeitsprozess wurde die Leinwand noch einmal umgespannt. Runde Abdrücke von Nagelköpfen oder Zwecken befinden sich sehr dicht an der Malfläche, ohne diese zu berühren. Ob das Umspannen vor dem Auftrag der grauen Grundierung erfolgte, vor dem Ausführen der Malerei oder erst danach, ist heute nicht mehr eindeutig nachvollziehbar. Sicher ist jedoch, dass es in der Entstehungszeit passierte. Abb. 4 BERNARDO BELLOTTO Die ehemaligen Festungswerke von Dresden , um 1750/51 Öl auf Leinwand, 132 × 236 cm Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Gal.-Nr. 611. Abb. 5 BERNARDO BELLOTTO Die ehemalige Kreuzkirche in Dresden , um 1751/52 Öl auf Leinwand, 196× 186 cm Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Gemäldegalerie Alte Meister, Gal.-Nr. 616: Einlegen einer Leinwandintarsie in den Spalt der offenen Leinwandnaht.

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