Leseprobe

B ernardo Francesco Paolo Ernesto Bellotto wurde am 20. Mai 1722 als Sohn des Vermögensverwalters Lorenzo Antonio Bellotto und dessen Ehefrau Fiorenza Domenica Canal in Venedig geboren.1 Seine Mutter war eine jüngere Schwester Giovanni Antonio Canals, genannt Canaletto – einem der berühmtesten Vedutenmaler der Zeit. Um das Jahr 1735 begann Bernardo, als Lehrling in der Werkstatt seines Onkels Antonio zu arbeiten und trat drei Jahre später der venezianischen Malerzunft Fraglia dei Pittori bei, in deren Verzeichnis er bis 1743 geführt wird.2 Als Bildungsziel des Adels auf der Kavalierstour litt Venedig zu dieser Zeit unter dem österreichischen Erbfolgekrieg (1740–1748) – weniger Reisende besuchten die Lagunenstadt, und auch in Oberitalien gab es für den aufstrebenden jungen Künstler nicht ausreichend Aufträge.3 Im Jahr 1747 verließ Bernardo Bellotto gemeinsam mit seiner Ehefrau Elisabetta, seinem Sohn Lorenzo und dem Diener Francesco seine Geburtsstadt und reiste nach Dresden.4 Die sächsische Residenzstadt war unter Kurfürst und König August III. und seiner Gemahlin Maria Josepha von Österreich ein Anziehungspunkt für Kunstschaffende unterschiedlicher Nationalitäten – Architektur, Bildhauerei, Malerei, Oper, Literatur und Festivitäten bildeten den Rahmen einer prachtvollen Hofhaltung, die sich mit anderen euro- päischen Fürstenhöfen und Königshäusern messen konnte. NETZWERKE UND DIE ERSTE DRESDNER VEDUTE Doch Bellotto knüpfte schon zuvor Kontakte zu königlichen Auftraggebern. Für den König von Sardinien und Herzog von Savoyen, Karl Emanuel III., schuf er zwei Ansichten von Turin. Im Frühjahr 1744 hielt er sich in Verona auf. Im Anschluss entstanden zwei Ansichten der Stadt für einen unbekannten englischen Auftraggeber, die als Pendants konzipiert sind. Das lang gestreckte Bildformat behielt der Künstler fortan für repräsentative Veduten bei und wiederholte beide Ansichten zudem für die königliche Sammlung in Dresden (Abb. 1 und s. S. 102, Abb. 10).5 Da die genauen Umstände von Bellottos Umzug nach Sachsen nicht bekannt sind, gibt es unterschiedliche Thesen, auf wessen Vermittlung Bellotto an den Dresdner Hof kam.6 So könnte der Venezianer Bonomo Algarotti, Trauzeuge bei der Hochzeit Bellottos mit Maria Elisabetta Pontormo am 5. November 1741, über seinen Bruder Francesco Graf von Algarotti den Kontakt mit dem Dresdner Hof hergestellt haben.7 Denkbar wäre auch eine Vermittlung über den Galerieinspektor Pietro Maria Guarienti, der Taufpate von Bellottos 1745 geborener Tochter Francesca Elisabetta war.8 Wie strategisch Bellotto sein soziales Netzwerk aufbaute, davon zeugt seine erste Dresdner Vedute Dresden vom rechten Elbufer oberhalb der Augustusbrücke (Abb. 2). Zu ihrer Anfertigung wählte Bellotto als Standpunkt das Haus des Hofrats Franz Josef von Hoffmann (s. S. 197, Abb. 3).9 Hoffmann war verheiratet mit Felicita Sartori, einer Schülerin der von König August III. hochgeschätzten Pastellmalerin Rosalba Carriera, die wie Bellotto aus Venedig stammte und sich dort als erfolgreiche Porträtistin des Adels etabliert hatte.10 Doch nicht nur die Wahl des Standorts, auch die kompositorische Anlage des Bildes verrät etwas über die taktische Vorgehensweise des Künstlers. Der Strom der Elbe, der die Altstadt von der Neustadt trennt, unterteilt auch das Gemälde in zwei Berei- che. Am rechten Bildrand reihen sich schmucklose Fassaden aneinander, während direkt im Vordergrund auf einer teilweise verschatteten Freifläche sieben Personen in zwei Gruppen beieinanderstehen. Sie werden traditionell als Figuren aus dem höfischen Umfeld gedeutet. Der Hofmaler Christian Wilhelm Ernst Dietrich steht hinter einem sitzenden jungen Mann mit Zeichenblock. Dieser wiederum blickt zu einem älteren Herrn im grünen Rock auf, der Detail aus Abb. 4 √

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