Leseprobe
53 mich um, so ist es vorbei mit dem Heimatlichen, dann sehe ich nämlich die großen Berge.« 34 – »Vergangene Nacht hatten wir ein scheußliches Gewitter und Regen; aber am nächsten Tag klarte es auf, sodass man die fernen Berge sehen konnte. Bei dem Unwetter in der Nacht war dort Schnee gefallen, der den ganzen Berg bedeckte […]. Ich habe gerade heute eine Zeichnung dieses Motivs mit Wasserfarbe angefertigt, die erste Wasserfarbenzeichnung auf der Reise. Es ist auch lustig, die Wolken vor den Bergen her- ziehen zu sehen. […] Es ist ein prächtiger Schim- mer, der dort über den Bergen liegt.« 35 Das Gebirge zieht La Cour wie magisch an, er wandert immer höher hinein. Bald fährt er weiter nach Arreau, ein richtiges Bergdorf direkt in den Pyrenäen. »Der erste Eindruck, den die Natur hier auf mich machte, war doch bedrückend. Das Tal war schmal, die Berg- hänge ragten auf beiden Seiten steil in die Luft, aber es gab schöne Formen in den Bergen, der Stein trat mit seinen vielen Farben stark hervor, bald rot und bald grau.« Von einem »Verlangen, das keine Ruhe zuließ«, wird er am nächsten Tag allein auf einen Berg hinauf getrieben, unterschätzt Steigung und Strecke, ist erschöpft. »Als ich den Gipfel schließlich erreicht hatte, fand ich Wasser, eine Tasse voll, eiskalt. Das gab mir den Mut zurück, ich stand nun auf der Höhe und sah die schneebedeckten Gipfel um mich her. Ja, das war ein prächtiger Schimmer. Da waren ein Licht, ein Glanz in den Farben, eine Schönheit in jeder Linie und jeder Form; aber viel zu viel Kleines war noch zu sehen, Felder, kleine Wälder, Städte, Häuser, Wege und Flüsse, wenn auch dies ebenfalls seinen Reiz und seine Schönheit hatte.« 36 Als hätte er diese Abneigung gegen das Klein teilige über Jahre oder Jahrzehnte kultiviert, wird er mehrere monumentale Bergansichten malen. Überhaupt wird sich La Cour als mit Abstand bester Bergmaler etablieren – sowohl in Dänemark als auch auf internationaler Bühne. 37 Der jütländische Küstenmensch, jetzt wird er zur Bergnatur. Bei seiner letzten Gebirgsbesteigung in Arreau: »Ich stand oben über den großen Nadelwäldern, die Wolken tummelten sich in wildem Flug um mich her und hüllten mich bisweilen gänzlich ein. Eine sonderbare Stille herrschte hier. Nur die Schreie der Adler hin und wieder. […] Durch Risse in der Wolkendecke ließ sich die mächtige Bergkette vor dem Pic du Midi erahnen.« Und auf dem Rückweg zu seiner Bleibe in Montréjeau notiert er im Bade ort Luchon: »Die ganze große Welt wird so klein, wenn der Geist und die Gedanken von einem solch herrlichen Tag erfüllt sind, wie ich ihn gestern auf der Hochebene hatte.« 38 Auch Skovgaard schildert er den denkwürdigen Bergtag später in einem Brief aus Rom noch einmal und wie er versucht, dem »flüchtigen aber mächtigen Eindruck nach zu malen«. 39 Hier formen sich neue Eindrücke, neue innere Bilder von originellen und fast immer herben Natur erfahrungen. Was La Cour dann künstlerisch daraus machen wird, hat viel weniger mit Naturwahrheit oder einer strengen Übersetzung der Wirklichkeit ins Gemälde zu tun, als es scheint. Er will ja den »mächtigen Eindruck« malen, den die Natur auf ihn macht. Anders gesagt: Er malt seine eigene Natur. 40 Besonders bei Nebel und Regen wirkt das Alleinsein in Montréjeau belas- tend auf La Cour. Überhaupt wird er schnell lau- nisch, wenn er nicht arbeiten, nicht mit seinen Wasserfarben draußen sein kann. »Heute ist es acht Tage her, dass ich zuletzt mit jemandem Dänisch gesprochen habe, da aber noch unge- fähr sieben Wochen vergehen werden, bis ich in Rom wieder Landsmänner treffe, ist es wohl das Beste, wenn ich mit mir selbst rede und das tue ich auch […]. Die dunklen Gedanken kommen doch schnell, wenn die Arbeit nicht gut laufen will oder wenn ich die Sehnsucht nach der Heimat zu stark spüre […]. Nur wenige Stunden des Tages vergehen, ohne dass ich daran denke,
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