Leseprobe

110 Es ist schade, dass heute keine Dokumente vorliegen, die beschreiben, wie sich La Cour in den frühen 1870er Jahren im Kreis der Kopenhagener Kunstbour- geoisie als italiengeprüfter und preisgeehrter Maler bewegt hat [ ABB. 52 ] . Es kann als wahrscheinlich gelten, dass er fast immer zu den jährlichen Charlot- tenburger Frühjahrsausstellungen anreist – er nimmt zwischen 1855 und 1907 mit insgesamt 132 Werken 40-mal daran teil. 1 Dabei besucht er Freunde oder Familienangehörige und soll ein freundlicher Haus- gast gewesen sein, der vor allem den Kindern gerne Geschichten erzählt. Sicher ist aber, dass aus dem Eigenbrötler kein Netzwerker, aus dem Naturburschen kein anticham- brierender Salonlöwe geworden ist. Mehr noch, La Cour als menschenscheu zu bezeichnen, ist fast ein Euphemismus. Er fühlt sich zwar hin und wieder einsam, sehnt sich im Ausland nach Landsleuten und bekannten Gesichtern, genießt Geselligkeit – doch zumeist weicht er Menschen aus. Diese Kauzigkeit kann rührende Züge annehmen. So hat er ja von seinen Reisen in den Süden kaum je über Frauen, über Körperlich-Sinnliches oder gar Sexualität berichtet – Landschaft, cHARAKTER da beißt sich die Katze allerdings in den Schwanz, denn wenn seine Briefpartner keine jungen Kumpane sind, sondern seine Mutter und der väterliche Skovgaard – wie sollte La Cour da auch amouröse Erlebnisse teilen? So oder so, der Künstler lenkt seine gesamte Leidenschaft auf Natur und Malerei. Joakim Skovgaard hat dazu einen treffenden Satz parat: »Es ist charakte­ ristisch für ihn, dass er einen entrindeten Baumstumpf mit der gleichen Liebe zeichnete wie wir anderen eine herrliche Frau.« 2 Das ist ein höflicher Hinweis auf ein unsexuelles Leben. Tatsächlich ist keine Liebesbeziehung überliefert, La Cour wird nicht heiraten und weder Kinder zeugen noch einer kommunen­ artigen Struktur à la Worpswede beitreten. Er pflegt Kollegenbeziehungen, Freundschaften und Sammlerkreise, zumindest später in der Aarhus-Gegend. Bei diesen Treffen stellt er Werke vor und verkauft sie. Zudem gibt es die lange tiefe Bindung an seine Schwester Louise, überhaupt an seine Familie – und eben an die Skovgaards. Genau aus diesem Grund erzeugt

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