Leseprobe
Studien und Studien ausstellung Exkursion La Cour hat ein stilistisch konsistentes Gesamtwerk geschaffen. Es setzt sich nicht nur aus den vielen wiederholten und variierten Motiven zusammen, son- dern auch aus unzähligen Studien. Zwar werden jene bis ins 20.Jahrhundert kaum als eigenständiger Teil künstlerischer Werke gewertet, 1 doch hat La Cour nicht nur ein immer wieder ausgedrücktes inniges Verhältnis zu ihnen gehabt und regelrecht zwischen ihnen gelebt [ ABB. 74 ] , sondern er verschafft ihnen eine große Rolle in seinem künstlerischen Auftritt. Das zeigt eine bislang überhaupt nicht berück- sichtigte Ausstellung von 1901, die erste oder eine der ersten der damals neugegründeten Vereinigung für nationale Kunst. Bei dieser Ausstellung hat La Cour ausschließlich Studien, Skizzen und Aquarelle gezeigt, und zwar über 200. Das ist eine kleine Sensation und hat so bis dato wohl noch nirgendwo stattgefunden. Wieder einmal erweist sich der »Traditionalist« als fortschrittlich… 2 La Cours Großausstellung der kleinen Studien liegt just vor der Entdeckung der Studie als (autono- mer) Teil des künstlerischen Werkes, die wohl schritt- weise erst mit der Berliner Jahrhundertausstellung 1906 beginnt. 3 Dann dauert es noch einmal mehr als 50 Jahre, bis sie 1960 mit Paul Weschers Abhandlung La Prima Idea: Die Entwicklung der Ölskizze von Tinto- retto bis Picasso ein erstes theoretisches Fundament bekommt. 4 156 Deutlich zeigt La Cours Ausstellung, wie wichtig die Studie für ihn ist, denn es muss seine Entscheidung gewesen sein, dass 1901 in der Vereinigung zuerst die Studien und an zweiter Stelle 1907 die großen Bilder gezeigt werden. Für ihn, so scheint es, ist die Studie oft gleichwertig mit dem Hauptbild. Teils ist er sich selbst gar nicht sicher, ob ein Bild so oder so sein soll, das geht aus einem Brief an den Sammler Heinrich Hirschsprung hervor, datiert auf 1901: »Lieber Grossist H. Hirschsprung. Ich will Ihnen die genannte Studie oder das genannte Bild aus Helgenæs gerne überlas- sen. Da ich davon ausgehe, dass ich nächsten Sommer in den Süden reise, wünschte ich, die Ihrem Brief entsprechende Bezahlung könnte zu dem von Ihnen bestimmten Termin getätigt werden.« 5 Es han- delt sich vielleicht um La Cours Bei der Begtrup Bucht , heute im Besitz des Hirschsprung Museums [Abb. 107] . Hirschsprung selbst hat offenbar gerade die Studien von La Cour geschätzt, hat sie neben Zeich- nungen und Aquarellen gerne gesammelt, so bereits schon 1875 die erste Skizze der Villa d’Este. 6 Dazu kommt aber, dass er 1907 für eine große Londoner Ausstellung dänischer Kunst (die gut 100 000 Besucher gehabt haben könnte) auch fünf solcher Ölstudien aus seiner Sammlung bereitstellt. Dabei sind die meisten davon ziemlich groß, messen in der Breite mehr als 70 Zentimeter, haben also einen repräsenta- tiven Charakter. Tatsächlich kann es bei einer fein ausgearbeiteten Studie auch die Größe sein, die ihren Status in Richtung Werk verschiebt. 7 La Cour wird dort in London zwischen alten Gol- den-Age-Künstlern und jüngeren Malern wie Julius Paulsen und Vilhelm Hammershøi quasi als Meister der Studie präsentiert. Ob Hirschsprung das mit dem Künstler abgesprochen hat oder ob er diesen Aspekt La Cour’scher Ästhetik von sich aus so hat betonen wollen, ist nicht überliefert. Bekannt ist aber Hirsch- sprungs exzellentes Gespür für Studien; er sichert sich 1888 auch Christensens Herlufsholm . Doch das wiederholende, serielle Element bei La Cour scheint dem Sammler nicht so stark aufgefallen zu sein. Er bringt die vielen Wiederholungen eher mit Ausdauer in Verbindung, so formuliert er es einmal in einem Brief an den Maler: Die jüngere Generation solle sich ruhig mal von dem Bienenfleiß inspirieren lassen, der in
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