Leseprobe

158 den akribischen Studien und Zeichnungen aufscheint. 8 Dabei kann es La Cour nicht um Perfektion im äußerli- chen Sinne gegangen sein, denn bei den meisten vari- ierten Motiven sind die Variationen je für sich stimmig. Es gibt nur sehr wenige schlechte und unselbststän- dige Studien von ihm, bei denen deutlich würde, dass sie wirklich nur ein (vielleicht sogar misslungener) Arbeitsschritt auf dem Weg zum Hauptwerk sind. Hat es in La Cours Studienausstellung, der wohl ersten in dieser Größe, eine serielle Tendenz gege- ben? Aussehen wie auch Aufenthaltsort vieler ausge- stellter Werke sind unbekannt. Aber es gibt zumindest Ausstellungskritiken, die man dazu zitieren kann. Ein anonymer Autor in der Abendausgabe der National- tidende am 3.Oktober 1901: »Von modernen Strömun- gen gänzlich unbeeinflusst, fuhr la Cour fort, auf seine Art zu malen […]. Allmählich ging jedoch mehr und mehr Menschen auf, dass sich in dieser etwas kühlen, stilvollen und vornehmen Kunst eine eigentümliche Poesie offenbarte, eine feine, ernste, bisweilen etwas schwere, aber niemals banale oder süßliche Stimmung. Und nach und nach stieg die Bewunderung für diesen Künstler, der gleichzeitig sich selbst treu blieb und die stetig wachsende Fähigkeit besaß, die großen, schö- nen und ernsthaften Linien in der Natur zu schildern. Mit den großen Bildern aus der Villa d’Este […] trug er endlich den Sieg heim, den er schon so lange verdient hatte.« 9 Eine Kritik der späteren Gemäldeausstellung von 1907 ist hinsichtlich des Seriellen jedoch auf­ schlussreicher, man kann sie wohl auch auf die frühere Studienschau beziehen. In Illustreret Tidende heißt es: »Eine so große Ausstellung über Landschaftskunst läuft leicht Gefahr, etwas eintönig zu werden […]. Wenn diese Ausstellung doch weit davon entfernt ist, dann ist dies einer so starken und reichen Persönlich- keit geschuldet, zu der es in der gegenwärtigen däni- schen Landschaftskunst wohl kein Gegenstück gibt. […] Wohl kein dänischer Landschaftsmaler hat einen derartig guten Blick für die Form wie er, sowohl in der Ganzheit als auch im Detail, und gerade diese innerli- che und seltene Vereinigung von beidem bewirkt, dass er niemals ermüdend wirkt, und dass man immer noch etwas Neues in diesen Bildern findet.« 10 Leider liegen von den Ausstellungen 1901 und 1907 keine fotografischen Ansichten vor, doch allein anhand der Werklisten kann man deutliche Häufungen von Motiven oder Motivregionen ausmachen. 11 Nur zwei Beispiele: 1901 gibt es vom Himmelberg über den Zeit­ raum von 20 Jahren (1867 bis 1886) insgesamt 18 Motive; dazu kommen 15 Helgenaes-Bilder, datiert auf einen Zeitraum von fast 30 Jahren (1857 bis 1883). 12 La Cours künstlerische Praxis der Variation, spätestens seit der Bucht von Sorrent (ab 1866), werten seine Studien auf. Bei ihm zählt fast nie nur ein Bild, es geht immer um eine Gruppe, eine Serie. Und dass seine Studien nicht bloß Beiwerk, sondern ein wesentlicher Teil seines künstlerischen Vermächt- nisses sind, sagt auch Joakim Skovgaard: »In seinen Schränken liegt ein Reichtum an herrlichen Studien, Bilder von außerhalb und von zu Hause […]. Sie wer­ den sein Andenken bewahren.« 13 Auch kann man mut- maßen, dass die Ausstellung von 1901 Ähnlichkeiten mit La Cours Atelier aufweist [ ABB. 74 ] . Dicht an dicht hängen dort Studien, die wie eine sorgfältige maleri- sche Segmentierung der Natur wirken. Wiederum unter dem Dach der Vereinigung für nationale Kunst wird eben sechs Jahre nach die­ ser reinen Studienausstellung, 1907, zu La Cours 70.Geburtstag eine Auswahl derjenigen großen Werke gezeigt, die von den 1850ern an in Charlottenburg ausgestellt worden sind. Die Schau zählt 82 Nummern. Aus dem Zeitraum von 1876 bis 1906 sind vier Gemälde des Gartens der Villa d’Este in Tivoli dafür ausgesucht worden, doch muss man dazu sagen, dass es weitaus mehr Werke mit diesem Motiv gibt. La Cour wird nicht umsonst als »Maler der Villa d’Este« bezeich- net. 14 Ebenfalls in der Ausstellung von 1907: vier Helgenaes-Gemälde, von denen eines explizit als Studie markiert ist. 15 Wirklich interessant wird es an anderer Stelle, denn La Cour nimmt die berühmte Abendstunde nicht nur in der prämierten Version von 1871, sondern auch in der Variante von 1874 in seine Geburtstagsausstel- lung – zudem wird noch eine ganz aktuelle Fassung von 1907 gezeigt. 16 Doch damit nicht genug, denn von einem anderen Meistermotiv, der Mündung des Wald- mühlenbachs in die Ostsee, sind ebenfalls mehrere Varianten zu sehen.

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