Leseprobe

12 der Außenseiter Eine Linie zu finden, die das Meer ruhigstellt: Dem dänischen Maler Janus la Cour ist das auf seinem Gemälde von der Sorrent-Bucht so gut gelungen, dass man sich fragt, ob es nicht sein kann, dass die Welt nur für ihn, oben am Felsen mit Malsachen in der Sonne brütend, den Atem anhält [ ABB. 1 ]. Selbst die winzigen Schiffe wirken auf dem Blau wie angefroren. Dass dort Fischer ihre Netze auswerfen, ein Lied singen, von einem Mittagsmahl träumen? Schwer vorstellbar! Und das liegt selbst­ verständlich nicht an der Natur, an der Landschaft. Es liegt am Blick des Künstlers. »Über allen Gipfeln / Ist Ruh’«, säuselt eine berühmte Goethe’sche Beschwörung. Für La Cours Kunst ist sie zu schwach. Während der umtriebige Dichter explizit ein Nachtlied anstimmt, liegt La Cours Bucht in knallhellem Tag – so wie viele seiner Bilder. Die Ruhe der Natur ist in seiner Kunst keine Etappe der Dämmerung oder des Dunkelns, sie ist das A und O. Der Künstler hat die Landschaft so »regungslos« gemalt – ein Wort, das La Cours Biograf Rikard Mag- nussen 1928 gebraucht –, hat sie so ruhig gestellt, dass man von einer Konstruktion der Stille sprechen kann. Tiere, Menschen oder Menschengemachtes finden darin fast keinen Platz. 1 Vorwort

RkJQdWJsaXNoZXIy MTMyNjA1