Leseprobe

13 [ 1 ] Küste von Sorrent I August 1866 Öl auf Leinwand 38,5×59,5 cm Seit er ein Kind ist, liebt La Cour die Ruhe, hütet sie zeitlebens als kostbaren Schatz, baut ihr mit seiner Kunst ein Denkmal. Das muss eine große Anstrengung erfordert haben, denn jeder weiß: Lärm machen ist leicht. Doch Stille herstellen und halten ist schwer, vor allem im Zeitalter der Industrialisierung. Ganz sicher hat La Cours Vorliebe etwas mit seiner Epoche zu tun. Er wird 1837 in eine Zeit geboren, in der die wilde Natur verschwindet. Sie wird durch eine vom Menschen beeinflusste Umwelt überformt, was La Cour ganz und gar nicht freut. Wenn er Eisenbahn- schienen, Häuser oder auch nur Wege sieht, schaut er lieber weg und malt anderswo. Die Orte, an denen sich Schlotfahne und Wolke, Menschen­ blick und Atmosphärisches berühren, hat ein weltberühmter Zeitgenosse La Cours kongenial erfasst: Claude Monet. Und obwohl dessen Getreideschober -Serie und die späten Seerosen -­ Meditationen eine ähnliche Sehnsucht bergen mögen: Ein Maler der Stille ist er nicht; das ist La Cour, der ein menschenleeres Europa ohne Industrialisierung malt. 2 Diese künstlerische Großtat wird bis heute nicht genug anerkannt. La Cour ist ein Außenseiter, der mit seiner Naturmale- rei ganz eigene Visionen verfolgt, sich störrisch und kühl nur seinem kleinen Ziel widmet. Und auch, wenn Monet der letztlich bedeutendere Maler ist und in der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts wagemutige stilistische Neuerungen passieren, die La Cour nicht berühren, hat es seine Kunst nicht verdient, so igno- riert zu werden. Sie versinnbildlicht die zweite Hälfte des 19.Jahrhunderts ebenso wie der Impressionismus. Und sie ist viel moderner, als es auf den ersten Blick erscheint.

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