Leseprobe

138 Die intime plastische Form zwingt einerseits zu einer knappen plastischen Formulierung. Anderer- seits ist sie für die Künstlerin die Sphäre des unmittelbaren Experiments, was ein zentrales Element ihres Gestaltungswillens und Arbeitsprozesses ist. Das wird in den variantenreichen Porträtserien wie für Martin Luther oder Friedrich den Großen deutlich. Mit diesen Studien entwickelt Anna Franziska Schwarzbach auch den Ausdruck für ihre großen Denkmale. Sie fabulieren, fokussieren Momente und gewinnen damit über das konkrete Bildnis hinaus eine allgemeine Sinnbildhaftigkeit. Dies führt zu einer bemerkenswerten Präsenz, die sich durch die konsequente Reduktion plastischer Formen bis hin zu einer monumentalen Ausstrahlung steigern kann. Allein damit sind ihre Medail- len zweifellos eigenständige Werke, die innerhalb der Stilpluralität der deutschen Kunstmedaille eine reizvolle, gänzlich autonome Position haben. Hinzu kommen Materialexperimente. Hauchdünne Wachsmodelle führen im Guss zu Fragmentie- rungen, die die Ausstrahlung einzigartig steigern. Dies lässt sich an der Taufmedaille für Franca Wildhagen (S. 134 f.) oder an dem Probeguss des Porträts von Samuel Hahnemann (S. 145, 2. Reihe, 3. Medaille) nachvollziehen. Mehrdimensionale bzw. aus verschiedenen Teilen montierte Medaillen- objekte erreichen darüber hinaus die Aura erhabener Kabinettstücke. Die Annäherung an Europa ist ein Taschenaltar, hinter dessen Pietà das kostbarste Sinnbild der Unschuld, das Einhorn, zum Vorschein kommt. Nach dem Öffnen der Vorderseite zeigt sich, dass dieses seltene Tier – irritierend und aberwitzig – von einer Gestalt geritten wird, die als Karl Marx erkennbar ist. Das Spiel mit ver- ALTER FRITZ (nach der Totenmaske von Johannes Eckstein) | 2012 Medaille, Bronze, 9 × 7,5 × 0,5 cm ALTER FRITZ | 2012 Medaille, erster Entwurf, Bronze, 9 × 7,5 × 0,5 cm

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