134 Die Fotobücher der 1970er Jahre 395 In den 1980er Jahren fotografiert Robert Adams erneut im Umfeld seines damaligen Wohnorts Longmont, einem Vorort von Denver. 396 Noch vor dem Abschluss der fotografischen Feldarbeit zu From the Missouri West erscheint in der Zeitschrift Aperture Adams’ Essay »Inhabited Nature«, in dem er sich mit den Herausforderungen der Landschaftsfotografie angesichts einer durch den Einfluss des Menschen veränderten Natur auseinandersetzt. »Wir« müssten uns mit dieser »Halbwildnis« versöhnen: »a new but no less important job: to reconcile us to half wilderness.« (Adams 1996 [1981], 103–108, hier: 105). 397 Vgl. zum Begriff des Modern Environmentalism Anm. 225. 398 »What linked these themes was the science of ecology and its understanding of the interdependence of human activities and natural systems.« (Tyrrell 2002: 328). 399 Vgl. Dunaway 2004 sowie die Beiträge von Barnhill, Taylor und Santmire/Cobb, Jr. in Gottlieb 2006. 400 Wenn Robert Adams schreibt, den Survey- Fotografen des 19. Jahrhunderts sei es gelungen, die Landschaft als »geschlossenes Ganzes« darzustellen, formuliert er zugleich das ästhetische Programm seiner eigenen fotografischen Arbeit: »What they found was that by adjusting with fanatical, reverential care the camera’s angle of view and distance from the subject, they could compose pictures so that the apparently vacant center was revealed as part of a cohesive totality.« (Adams 1994 [1983]: 147). Menge an Rollfilm zur Verfügung, wodurch er merklich flexibler hinsichtlich der Wahl der Kamerastandpunkte, Perspektiven und Distanzen zum Objekt wird. Diese Veränderungen hinsichtlich des gestellten Themas und der fotografischen Arbeitsweise wirken sich auch auf die Bildmuster aus. An die Stelle der weitgehend reinen Architektur- und Landschaftsansichten der beiden ersten Bücher treten komplexere Bilder, in denen Adams die veränderte räumliche Struktur der Vorstädte erfassen und der Ordnung des Naturraums gegenüberstellen will. Er zeigt die Lage der Siedlungen im landschaftlichen Zusammenhang, deren provisorische Entwicklungsstadien vom gerodeten und planierten Baugrund über das Ausschachten und die verschiedenen Schritte des Hausbaus. Während die Fotografien in den beiden ersten Büchern noch weitgehend die Funktion von Illustrationen erfüllten und die Vermittlung der zugeschriebenen Bedeutung weitgehend dem geschriebenen Wort überlassen war, nutzt Adams von The NewWest an viel stärker genuin bildliche Strategien und gestaltet gerade in diesem Buch eine eigenständige, komplexe Bilderzählung. Vor dem Hintergrund des wohlgeordneten harmonischen Bildes, das er in den beiden ersten Büchern von der frühen hispanischen und der euro-amerikanischen Siedlergemeinschaft entworfen hat, deutet Robert Adams die jüngsten Eingriffe des Menschen in die Landschaft nach dem ZweitenWeltkrieg in The NewWest als gleichermaßen städtebaulich-ästhetische und religiös-moralische Verirrung.Die Erhabenheit der Natur werde jedoch letztlich überdauern, so die impliziteThese seiner Bilderzählung. Seine auf starken Gegensätzen von hell-dunkel, scharf-unscharf sowie weithin offen-verstellt beruhende Bildsprache nutzt der Fotograf, um die zutiefst ambivalente Deutung der Landschaft simultan zu verstärken und zu naturalisieren, indem er sie qua Fotografie gleichsam in die Landschaft hineinprojiziert, diese mit seinem Blick ordnet. Um diesen Effekt zu erzielen, kombiniert Adams die semantischen Potenziale der Einzelbilder mit jenen der Sequenz (über den Effekt des neutralen »Camera eye«) sowie der begleitenden Texte – mit anderen Worten: mit den spezifischen Ausdrucksmöglichkeiten des Mediums Fotobuch. Die Spracherzählung schließt in der Gegenüberstellung von Stadt und Land sowie von Vergangenheit und Gegenwart unmittelbar an Adams’ frühere Fotobücher an. An die Stelle der halbwissenschaftlichen kulturhistorischen Studie ist nun allerdings die Reiseerzählung getreten. Der erzählerische Bogen wurde entscheidend erweitert: Der Blick führt nun nicht mehr aus der Vergangenheit zurück in die Gegenwart, sondern aus der paradiesischen Vergangenheit durch die verkommene Gegenwart in die außer-
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