135 The Contemporary West weltliche Erlösung. Der Schwerpunkt liegt dementsprechend nicht mehr auf der goldenen Vergangenheit, sondern auf der verkommenen Gegenwart, die allerdings durch den typologischen Bezug im Umschlag- und Schlussbild entscheidend relativiert wird. The Contemporary West – ein ästhetischer Survey der Halbwildnis Mit dem Erscheinen von The New West und dem Abschluss der Aufnahmen zu Denver lässt Robert Adams die Colorado Front Range 1974 zumindest vorerst hinter sich.395 Ein Jahr später wendet er sich nach den frühen euro-amerikanischen Holzkirchen auf den Great Plains, den Relikten der spanischen Besiedlung im ländlichen Colorado und der zeitgenössischen Vorstadtarchitektur in den Metropolregionen der Front Range erstmals der »halbwilden« Landschaft des US-amerikanischenWestens zu, die sein weiteres Schaffen bestimmen wird.396 In seinem Essay »Truth and Landscape« heißt es dazu: »[...] what bothers us about primordial beauty is that it is no longer characteristic. Unspoiled places sadden us because they are, in an important sense, no longer true« (Adams 1996 [1981]: 14). Die Idee der Halbwildnis entstammt dem Diskurs der Umweltbewegung, genauer dem Modern Environmentalism der 1960/1970er Jahre.397 An die Stelle einer dichotomischen Unterscheidung zwischen Wildnis und Zivilisation tritt – maßgeblich befördert durch die Etablierung der neuen Wissenschaft der Ökologie – ein stärkeres Bewusstsein für die Wechselwirkung des menschlichen Handelns mit der Natur, den »natürlichen Systemen«.398 Die Protagonisten dieser Bewegung beziehen sich wie die vorherige Generation von Umweltschützern zumindest in Teilen weiterhin auf ein christliches Verständnis der Landschaft als Schöpfung.399 Mit Blick auf die Genese des Gesamtwerks von Robert Adams stellt das Konzept der Halbwildnis in gewisser Weise eine Synthese aus den beiden ersten Werkgruppen dar. Während der New West dort in Gestalt der Highways und Vorstadtsiedlungen dem Old West mit seiner relativ unberührten Natur und den gewachsenen Siedlungsstrukturen unversöhnlich gegenüberstand, fasst der Fotograf die beiden Pole nun in einem einzigen ambivalenten Bild, einer »cohesive totality«, zusammen.400 Auf das Fotobuch bezogen fragt es sich, welche Auswirkungen dieses veränderte Verständnis der Landschaft auf seine fotografische Arbeit und die narrative Struktur der Bücher hat.
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