137 The Contemporary West – From the Missouri West From the Missouri West ist das erste einer ganzen Reihe von Fotobüchern, die Robert Adams während der 1980er und 1990er Jahre im New Yorker Verlag Aperture veröffentlicht.403 Damit verortet er sich entschieden im Diskurs der künstlerischen Fotografie. Der veränderte Stellenwert der Fotografien, die in Early Hispanic Colorado noch eher illustrativen Zwecken dienten, drückt sich etwa in der Produktion einer limitierten »collector’s edition« aus, der ein signierter und nummerierter Originalabzug von der Hand des Fotografen beigegeben ist.404 An die Stelle der »Illustrationen« treten nun also Objekte von eigenemWert – aus Abbildungen werden Bilder, die sich nicht zuletzt durch ihre Loslösung aus dem Zusammenhang der Serie zwangsläufig von ihremMotiv emanzipieren. Diese Diskursverschiebung drückt sich auch in der zunehmenden Zahl musealer Einzelausstellungen des Fotografen aus. So wurde dieWerkgruppe From the Missouri West unter anderem 1979 bei Castelli Graphics in New York und zwei Jahre später im Philadelphia Museum of Art gezeigt.405 Das Etikett der künstlerischen Fotografie steht allerdings in einem gewissen Widerspruch zur Textsorte des Buches. Im Nachwort zu From the Missouri West spricht Robert Adams nämlich von einem »survey«.406 Damit weckt er, wie auch mit den Fotografien, genauer gesagt mit der Wahl der Motive und deren fotografischer Umsetzung, bewusst Assoziationen zur Gattung des Expeditions- oder Landvermessungsberichts, konkret zu den Veröffentlichungen über die sogenannten Great Surveys der 1860/1870er Jahre zur Erforschung und Vermessung des USamerikanischen Westens, in deren Zusammenhang auch die ersten Aufnahmen dieser Region von Fotografen wie Timothy O’Sullivan undWilliamHenry Jackson entstanden sind.407 Der sachliche, an der Topografie orientierte Buchtitel und der deskriptive Tonfall der Bildunterschriften unterstützen den Charakter des Expeditionsberichts.408 Fotografien Die Motive zu From the Missouri West entstammen der halbwilden Landschaft des USamerikanischen Westens. Aus diesem an außergewöhnlichen Naturdenkmälern reichen Gebiet wählt Robert Adams ganz bewusst unspektakuläre, alltägliche Orte – in seinen eigenenWorten »anonymous arroyos and undifferentiated stands of scrub brush« (Adams 1980: 63). Er möchte sein Bild des AmericanWest anhand von Landschaften entwickeln, die typisch für das zeitgenössische Erscheinungsbild des Westens sind. Im Nachwort zu From the Missouri West heißt es dementsprechend, er habe es sich zur Bedingung gemacht, »to include in the photographs evidence of man« (Adams 1980: 63). Ein weiteres wichtiges Kriterium habe darin bestanden, dass es sich um ihm vertraute Orte handeln sollte: 404 Vgl. Adams 1980: 4. In diese Richtung deutet auch der Untertitel des Buches, der den Akzent erstmals auf die Fotografien und deren Autor legt: »Photographs by Robert Adams«. Vgl. zum Begriff der Autorenfotografie Honnef 1979 (wie Anm. 78). 405 Vgl. zur Ausstellung bei Castelli: Foster 1979. In Philadelphia wurden unter dem Titel The New West 43 Fotografien aus From the Missouri West mit weiteren 64 aus den Buchprojekten Prairie, New West, Denver und Summer Nights zusammengefasst. Angesichts der Gesamtzahl von über 100 Abzügen aus fast allen Werkgruppen lässt sich die Ausstellung als erste Retrospektive des Werks von Robert Adams bezeichnen. Interessanterweise wurden die einleitenden Texte der Fotobücher als Wandtexte integriert, eine Praxis, die Adams beibehalten wird und die verdeutlicht, wie entschieden er Wort und Bild als zwei wesentliche Bestandteile der Werkgruppen begreift; vgl. E-Mail von Nathaniel Stein, Curatorial Fellow in Photography am Philadelphia Museum of Art, an den Verfasser vom 21. 11. 2013. 406 Robert Adams hatte bereits Denver im Untertitel als »survey« bezeichnet, und er greift dieses Konzept auch mit West from the Columbia. Views at the River Mouth und Turning Back. A Photographic Journal of Re-exploration wieder auf; vgl. Adams 2011 (3): 112, 118. 407 Vgl. zur Fotografie der Great Surveys Castleberry 1996. Auf den besonderen Stellenwert dieser Aufnahmen für die US-amerikanische Fotogeschichte komme ich im Zuge der Einordnung des Werks von Robert Adams in die nationale Fotogeschichte im Schlusskapitel dieser Arbeit ausführlich zu sprechen. 408 Im Nachwort heißt es: »As a ›survey‹, this one is not literally a cross section of the West, nor is it a catalogue of what is unusual there.« (Adams 1980: 63). Weinberg setzt sich intensiv mit Adams’ Bezugnahme auf die Great Surveys auseinander; vgl. Weinberg 1996.
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