Leseprobe

138 Die Fotobücher der 1970er Jahre 409 Köhler 1983: 4. Den Begriff »grandeur« gebraucht Adams auch in The New West: »The first uplift of the Rocky Mountains [...] revealed to nineteenth century pioneers the grandeur of the American West [...]« (Adams 1974b: XI). 410 Im Verlauf des Essays differenziert Robert Adams diese Sentenz: Zum Aspekt der Topografie heißt es dort: »We expect from landscape art [...] a record of place« (14), zur Autobiografie »There is always [...] something in the picture that tells us as much about who is behind the camera as about what is in front of it« (15) und zum Symbol »what we hope for from the artist is help in discovering the significance of a place« (16). 411 Jenkins 1975b: 7 (wie Anm. 12). 412 Hinter dem Begriff der »Ganzheit« (»totality«) steht für Adams, anknüpfend an die puritanische Theologie, ein »Verständnis des Kosmos als großer symbolistischer Zusammenhang, in dem jede Einzelheit der Realwelt auf den Bereich des Spirituellen verweist« (Krusche 1987: 82) – mit anderen Worten: die Schöpfung. »they were near where I had lived or often traveled« (Adams 1980: 63). Zugleich müssten sie aber auch Erhabenheit ausstrahlen, im Sinne eines Erinnerungsraums über sich selbst hinausweisen: »What I would like to find is a sense of grandeur, even a sense of the spectacular, if possible, but from within scenes that have been dismissed as banal, unimportant or even hopelessly damaged.«409 Diese drei Bedeutungsebenen von Landschaftsfotografien beschreibt Adams in seinem Essay »Truth and Landscape« wie folgt: »Landscape pictures can offer us, I think, three verities – geography, autobiography, and metaphor.« (Adams 1996 [1981]a: 14).410 Die Aufhebung oder besser Vereinigung der Gegensätze der als ambivalent empfundenen Halbwildnis will Robert Adams mithilfe der Bildkomposition bewirken. Vorbildhaft sind dabei die erwähnten Expeditionsfotografen der 1860/1870er Jahre: »[...] they could compose pictures so that the apparently vacant center was revealed as part of a cohesive totality.« (Adams 1994 [1983]: 147). Zur Erinnerung: Im Katalog zu den New Topographics war Adams mit den Worten zitiert worden, er wolle die Ordnung »dokumentieren«, die unter dem scheinbaren Chaos liege.411 Es geht ihm also darum, in ein und demselben Bild beide Aspekte, Ordnung und Chaos, auszudrücken. Ein vordergründig chaotisches Bild soll seine tiefere Ordnung, verstanden als Ordnung der Landschaft, erst auf den zweiten Blick enthüllen. Dabei soll nicht der Eindruck entstehen, der Fotograf habe diese Ordnung inszeniert. Sie soll sich vielmehr »offenbaren« (»revealed as part of a cohesive totality«).412 Im Interview mit Michael Köhler konkretisiert Adams diesen Gedanken: »[...] the thing that fascinates me most is to make a picture in which all the pieces fit into a seamless unit, so that, if you take one out, the whole picture collapses. That game is most interesting, I think, when you are standing back from the subject, and when there is a chance of including all sorts of dissonant pieces [...] and make some kind of single item out of them all.«413 Dieses »single item« entspricht der oben zitierten »cohesive totality«. Um seine Motive in diesem Sinne auszulegen, greift Robert Adams auf eine Großformatkamera zurück. Auch die Reproduktionen in From the Missouri West sind größer als in den vorigen Büchern, und an die Stelle der quadratischen Bilder aus The New West tritt das querrechteckige Format.414 Landschaftliche Details lassen sich so besser erkennen, und das größere Format gestattet es zudem, eine größere Zahl verschiedener Elemente in ein und demselben Bild zu vereinen und so ihre visuelle Kohärenz noch stärker zu strapazieren. Zugleich geht mit der Rückkehr zum Großformat eine ganz andere Arbeitsweise einher als noch in der Colorado Front Range. Der Fotograf muss seine Motive nun wieder mehr oder weniger gezielt mit dem Auto ansteuern und die schwere,

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