Leseprobe

159 Erinnerungsraum American West Denken. Er verwendet ihn im Sinne der christlichen Hoffnung: »[...] hope is necessary to the survival of what makes us human. Without hope we lapse into ruthlessness or torpor [...] We know that our actions come to little, but our identity as we want it defined is contingent on the survival of hope.« (Adams 1994 [1986]: 160). 458 Gatta bezeichnet das Vertrauen in die »rejuvenating and spiritually sustaining capacities of outdoor experience« als einen US-amerikanischen »Glaubensgrundsatz« (Gatta 2004: 2). 459 Mary Austin vertritt bspw. die Überzeugung, dass kulturelle Identität geografisch determiniert sei: »A regional culture is the sum, expressed in ways of living and thinking, of the mutual adaptations of a land and a people.« (Austin 1929: 474); vgl. Schäfer 2003: 57. 460 Vgl. zum Begriff der Halbwildnis und dem Modern Environmentalism Anm. 225 und 396. 461 Vgl. zu den christlichen »Wurzeln« der US-amerikanischen Umweltbewegung Dunaway 2004. 462 Vgl. u.a. Adams 1974 a: 3. 463 Vgl. zum Begriff des Vernakulären (auch Vernakularen) Aigner 2010 (wie Anm. 138). Robert Adams knüpft mit seinen Bedeutungszuschreibungen an den US-amerikanischen Westen an Meistererzählungen der nationalen – dezidiert christlich-weißen – Identität an. Die Vorstellung von einer erhabenen Natur als Quell beständiger moralischer Erneuerung zählt zum Kernbestand nationaler Identitätsentwürfe.458 Gleiches gilt für die nostalgische Verklärung des Old West. Sie hat ihren prominentesten Ausdruck in Frederick Jackson Turners Frontier-Hypothese gefunden. Adams’Lesart dieses Topos wurde allerdings maßgeblich durch das dialogische Natur- und Kulturverständnis der Regionalisten in den 1920/1930er Jahren geprägt.459 Dementsprechend richtet sich seine Kritik an der Zerstörung der Umwelt sowohl auf die Vernachlässigung des Kulturerbes (in White Churches of the Plains und The Architecture and Art of Early Hispanic Colorado), auf den Bau uniformer Vorstadtsiedlungen (in The New West, Denver und What We Bought) als auch auf die industrielle Abholzung der Urwälder an der Pazifikküste in Oregon (From the Missouri West und später Turning Back). In Bezug auf den letztgenannten Punkt wurde Robert Adams entscheidend von der zeitgenössischen Umweltbewegung, dem Modern Environmentalism der 1960/1970er Jahre, beeinflusst, aus dessen Diskurs er den Begriff der halbwilden Landschaft übernimmt.460 Diese Bewegung bezieht sich übrigens in Teilen ihrerseits dezidiert auf ein christliches Verständnis der Landschaft als Schöpfung.461 Während Robert Adams’ Version der Geschichte des American West und seine Bedeutungszuschreibungen an die Landschaft also über die gesamte Dauer seines Schaffens hinweg weitgehend gleichbleiben, ändern sich die Schauplätze, anhand deren er diese Geschichte erzählt, durchaus: von den historischen euro-amerikanischen Kulturlandschaften Colorados in White Churches und Early Hispanic Colorado über die suburbanisierte Colorado Front Range in The NewWest und Denver bis zur ambivalenten Halbwildnis in From the Missouri West. Gemäß dem jeweiligen Stellenwert dieser Orte für seinen Erinnerungsraum widmet sich Robert Adams in den verschiedenen Buchprojekten außerdem unterschiedlichen Abschnitten der großen Erzählung. In den beiden ersten Büchern schildert er die Geschichte der spanischen Siedlungen im Süden Colorados und der frühen euro-amerikanischen Gemeinden auf den Great Plains, jeweils verstanden als idealisierte Ur-Gesellschaften, die sich durch ein harmonisches und tugendhaftes Leben im Einklang mit der Natur ausgezeichnet haben.462 Symbole dieser harmonischen Ordnung sind die architektonischen und kunsthandwerklichen Relikte der frühen Siedler, der sogenannten Pioniere. Sie verkörpern für den Fotografen eine gewachsene regionale Identität, die im Begriff des Vernakulären zumAusdruck kommt.463

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