Leseprobe

160 Fazit 464 Zur Erinnerung: Im Nachwort zu From the Missouri West bekennt Adams: »[...] because I had lost my way in the suburbs, I decided to try to rediscover some of the land forms that had impressed our forebears.« (Adams 1980: 63). In Turning Back (Adams 2005) kehrt er dann, nachdem sein Weg gen Westen am Pazifik geendet hatte, programmatisch um und beendet die Reise in einem Garten in einem Ort mit dem sprechenden Namen Halfway. 465 Bei der ästhetischen Illusion handelt es sich um »die imaginative, v.a. visuelle Vorstellung, in den vom Artefakt bestimmten Raum bzw. in seine Welt einzutreten [...] und diese wie eine Wirklichkeit (mit-)zuerleben« (Wolf 2008 [1998] c: 310). Das Inventar dieser Welt bezeichnet Orth als »narrative« oder »fiktionale Fakten« (vgl. Orth 2013: 172–176). 466 Wolf bezeichnet eine solche Form der »Narrativität des Bildes [, die] auf einer verbal-dramatischen Erzählung [basiert, als] parasitär« (Wolf 2018 [2002] b: 407). 467 Laut Martínez/Scheffel wird ein »Geschehen« zur »Geschichte«, »wenn die dargestellten Veränderungen motiviert sind. Die Motivierung integriert die dargestellten Ereignisse in einen Erklärungszusammenhang« (Martínez/Scheffel 2012 [1999]: 110; zitiert nach Kuhn 2011: 67). Die Autoren unterscheiden drei Arten von narrativer Motivierung: kausale, finale und kompositorische/ästhetische. »Die Handlung final motivierter Texte findet vor dem mythischen Sinnhorizont einer Welt statt, die von einer numinosen Instanz beherrscht wird. Der Handlungsverlauf ist hier von Beginn an festgelegt, selbst scheinbare Zufälle enthüllen sich als Fügungen göttlicher Allmacht.« (Martínez/ Scheffel 2012 [1999]: 111ff.; zitiert nach Kuhn 2011: 67). 468 Nünning 2008: 25 (wie Anm. 58). 469 Auf die verschiedenen Textsorten wie Buchtitel, Gattungsbezeichnung, Motto, Vorwort, Einleitung, Erzählung, Bildunterschrift oder Nachwort, die je eigene Funktionen innerhalb der Fotobucherzählungen erfüllen und teils zum So wie die Objekte selbst ihre Bedeutung beinahe verloren hätten und dem Verfall oder gar der Zerstörung preisgegeben seien, drohe auch der Verlust der regionalen respektive nationalen Identität. In seinen Fotobüchern über die Colorado Front Range erzählt Robert Adams ein anderes Kapitel derselben Geschichte.Die kulturhistorischen Zeugnisse sind inzwischen verschwunden. An ihre Stelle treten als Relikte des verlorenen Paradieses die erhabene Landschaft vor dem Panorama der Rocky Mountains und die Brillanz des Sonnenlichts: zwei natürliche Phänomene, die Adams der Enge der Stadt sowie wahlweise dem künstlichen Licht oder der Dunkelheit gegenüberstellt. Wo er zuvor den Blick aus einer – seinem Verständnis nach – noch immer intakten Gesellschaft in »relativer Harmonie« in die unsichere Zukunft geworfen hatte, beschreibt er nun, dramaturgisch gesehen, den Moment der Katastrophe – für ihn symbolisiert in der uniformen, anonymen Zweckarchitektur der Vorstadt. Die Lösung des dramatischen Konflikts des Menschen im Widerstreit mit der Schöpfung liegt hier imTod beziehungsweise in der ewigen Erneuerung in der Natur. Mit From the Missouri West schließlich knüpft Robert Adams explizit an seine Erzählungen über die Front Range an und verbindet seine verschiedenen Fotobücher so zu einer inter- oder besser transtextuellen Lebensreise.464 Auch die Geschichte dieses fünften Buches basiert auf dem inzwischen vertrauten Antagonismus zwischen Old und New West. Der Autor löst ihn diesmal jedoch im ambivalenten, letztlich aber Hoffnung gebenden Konzept des halbwilden Westens auf. Robert Adams’ plurimediale Erzählungen im Fotobuch Am Beispiel der fünf Fotobücher konnte ich zeigen, wie Robert Adams das Medium nutzt, um die oben herausgearbeiteten Bedeutungen im Sinne eines Erinnerungsraums an die Topografie des US-amerikanischen Westens zu binden. Kurz gesagt: Er entwirft über eine kombinierte Wort-Bild-Erzählung eine zweite fiktionale (nicht fiktive) Landschaft und überblendet diese mithilfe der ästhetischen Unmittelbarkeitsillusion mit der tatsächlichen Topografie des Westens.465 Die narrativen Strukturen dienen ihm erstens zur Konstruktion raumzeitlich kohärenter landschaftlicher Räume und zweitens zur Formulierung der Bedeutungen, die er der Landschaft zuschreibt. Dazu greift er auf tradierte, im kulturellen Gedächtnis verankerte Erzählungen zurück. In den beiden ers-

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