Leseprobe

161 Robert Adams’ plurimediale Erzählungen im Fotobuch Haupttext, teils zum Paratext zählen, gehe ich hier nicht noch einmal gesondert ein. 470 Vgl. Adams 1994 [1986]: 168; wie Anm. 37. ten Büchern referenziert er diese Erzählungen noch fast ausschließlich über die Sprachtexte und unterlegt sie den Bildern eher, als sie mit ihnen tatsächlich zu verknüpfen. Die Fotografien verharren hier noch weitgehend in der Beschreibung, statt ihre Motive zu deuten, und das Ausdrucksmittel der Mehrbildfolge trägt noch kaum zur narrativen Vermittlung des Plots bei.466 Bestehende Narrative wie die Geschichte der europäischstämmigen Besiedlung des Westens oder die Heilsgeschichte dienen ihm als »finale Motivierung« des Geschehens und fungieren somit als Rahmen, der imWeltwissen der Rezipienten verankert ist.467 Vom dritten Buch, The New West, an gehen die Sprachtexte über Referenzen an Bestehendes hinaus und dienen im Verbund mit den Bildfolgen aktiv der Illusionierung zusammenhängender fiktionaler Landschaften. Ein Erzähler berichtet darin von fiktiven Reisen durch den US-amerikanischen Westen. Zumindest im Sinne der Analyse, im Besonderen jener des Verhältnisses zwischen Wort- und Bilderzählung, bietet es sich hier an, zwischen Sprach- und Bilderzähler zu differenzieren. Sie unterscheiden sich unter anderem durch den Erzählzeitpunkt und durch den Grad der Mittel- beziehungsweise Unmittelbarkeit der Erzählung. Im Großen und Ganzen ähnelt die Rollenverteilung Nünnings Unterscheidung zwischen »erzählendem« und »erlebendem Ich«: »Während das erzählende Ich diejenige Instanz ist, die aus der Rückschau ihre früheren Lebenserfahrungen und Reiseerlebnisse wiedergibt [im Fall der plurimedialen Erzählungen von Robert Adams der Spracherzähler], handelt es sich beim erlebenden Ich um das ›frühere Selbst‹ des erzählenden Ich, um eine Figur in der erzählten Welt [bei Adams der Bilderzähler].«468 Sprach- und Bilderzähler vermitteln das Geschehen also von unterschiedlichen Ebenen aus. Das Kameraauge bewegt sich scheinbar in Echtzeit durch die Landschaft und verfügt über nicht mehr als die bloße Anschauung. Der Spracherzähler hingegen berichtet aus der Rückschau und ordnet das Gesehene ein.469 Über das Wort schreibt Robert Adams der Landschaft also bestimmte Bedeutungen zu, die er über das Bild an die topografische Landschaft knüpft und so naturalisiert und vergegenwärtigt. Am Beispiel der Kombination aus der Fotografie North of Keota (Abb. 1) mit der Clyde-Stanley-Episode, von der zu Beginn dieser Studie die Rede war, wird deutlich, wie Robert Adams Sprach- und Bilderzählung miteinander wie auch mit der topografischen Landschaft überblendet.470 Indem er die Landschaftsbeschreibung in der Spracherzählung an die Szenerie auf der Fotografie anpasst, auf die Erzähler und Leser beziehungsweise Betrachter gemeinsam blicken, nähert der Autor die beiden einander an und bewirkt so Immersion. Die Medialität des Bildes soll dabei in den Hintergrund rücken

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