Leseprobe

16   Mosaik-Fachtagung frühzeitig ins Gespräch gebracht und durch diese Idee die Stadt überzeugt, eine entsprechende Veranstaltung im Rahmen der Denkmal-Fachtagungen zu organisieren. Aus den Erfahrungen mit diesem Einzelwerk lässt sich exemplarisch die ganze Dramatik und Spannung nachzeichnen, die die denkmalpflegerische Arbeit so oft prägen. Es sind Themen, die in größerem Zusammenhang auch auf den gesellschaftlichen Umgang mit Epochen, mit Zeitschichten, verweisen. So war die Befassung mit dem Tagungsthema auch aus dieser Richtung motiviert, insofern die Zeugnisse der sogenannten Nachkriegsmoderne seit Jahren eine zunehmende Herausforderung für die unterschiedlichen Fachressorts der Denkmalpflege darstellen. Obwohl bis dato eine gewisse Etablierung der denkmalfachlichen Relevanz der Zeitschicht der 1960er bis 1980er Jahre konstatiert werden darf, was seinen Ausweis nicht zuletzt in zahlreichen, teilweise interdisziplinären Workshops, Tagungen, Symposien wie auch in ebenso zahlreichen Publikationen gefunden hat, sind doch die Inventare ebenso wenig abgeschlossen wie auch der Kenntnisstand zu Materialien, Techniken, zeit- und entstehungsgeschichtlichen Hintergründen etc. Die Verluste an Bauwerken dieser Zeitschicht sind bedauerlicherweise hoch, und der Bestand stellt nach wie vor komplexe Herausforderungen an die Inventarisation, die Baudenkmalpflege und nicht zuletzt auch an die Denkmalvermittlung, da die Nachkriegsmoderne im gesellschaftlichen Raum vielfach noch auf Akzeptanzprobleme stößt. Werke der baugebundenen Kunst, der Kunst am Bau, stellen zumeist integrale Bestandteile dieser Baudenkmale der Nachkriegsmoderne dar. Sie changieren – ganz vereinfacht – im typologischen Rahmen zwischen künstlerischer Wandverkleidung und Werkautonomie. Unabhängig von ihrer Programmatik, Ikonografie, formalästhetischen Semantik etc. sind sie jedoch in der Regel nicht vom Gesamtobjekt isoliert zu betrachten. Sie fügen sich so auch in eine Ikonologie von Architektur und Städtebau mit ihren jeweiligen zeitbedingten ideologischen, inhaltlichen und funktionellen Prämissen ein. Teilweise sind sie allerdings, wie etwa das Wandbild Familie, unabhängig vom Bauwerk, als Einzeldenkmale geschützt, gesichert, gerettet, und harren ihrer Wiederherstellung und Präsentation, idealerweise am authentischen Ort. Angemerkt sei als ein dritter Aspekt für die thematische Ausrichtung dieses Bandes die gattungsgeschichtliche Dimension: Mosaiken und keramische Wandverkleidungen stehen in einer Tradition von nahezu unübersehbarer historischer Vielfalt, in der der Aspekt der Nobilitierung eines Ortes durch diese Formen dauerhafter und verfeinerter künstlerischer Gestaltung einen wesentlichen Aspekt darstellt. Schon historisch sind die Typen, Techniken, Formate und Materialien außerordentlich vielfältig, sind teilweise miteinander kombiniert und werden, wie in römischer oder byzantinischer Zeit, zu höchster Künstlerschaft entwickelt. Der hohe Symbol- und Schauwert dieser Gestaltungen spiegelt sich sowohl in privaten Bauten wider, in denen sie die repräsentativen Bereiche schmücken, als auch – und besonders – in öffentlichen und halböffentlichen Bereichen profaner wie sakraler Widmung, in denen Mosaiken, Inkrustationen etc. den hohen Stellenwert von Orten, Gebäuden und deren Bauherren demonstrieren. Das ausgehende 19. und das 20. Jahrhundert führten in Aufnahme, Fortführung und Transformation historischer Vorbilder eine Wiederbelebung der Mosaikkunst herbei, wobei — ähnlich den großen Architekturbüros — nun teilweise große Mosaizierbetriebe, aber zugleich auch zunehmend einzelne Künstler- und Künstlerinnenpersönlichkeiten das Geschehen bestimmten.

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