Leseprobe

281 Kann das tradierte Rollenbild auch Kunst am Bau? Spiegelt sich das Rollenbild der sozialistischen Frau auch in der Branche baugebundener Künstler und Künstlerinnen wider? Lassen sich spezifisch weibliche Kunstgattungen, wie sie beispielsweise im Bauhaus gepflegt wurden, erkennen oder sind Geschlechterverteilung, thematische, stilistische oder materielle Zuschreibungen, binnen zweier Generationen aus dem Kunstschaffen verschwunden? Um die Langlebigkeit der Problematik zu verstehen, werden – mit speziellem Augenmerk auf keramische Wandbilder – diese Fragen an einer heterogenen Sammlung untersucht: Der Kunstfonds der Staatlichen Kunstsammlungen Dresden betreut einen sammlungshistorisch und gattungstechnisch heterogenen Bestand von mehr als 36.000 Werken,6 die seit 1945 unter dem Begriff nichtmusealer Kunst mit Bezug zu Sachsen zusammengefasst werden können. Sie bespielen den Innen- und Außenraum öffentlicher Einrichtungen, werden aber auch in Ausstellungen gezeigt und beforscht. Einen Teil dieses umfassenden Bestands bilden Kunstwerke, die aus dem von 1973 bis 1990 bestehenden Büro für architekturbezogene Kunst beim Rat des Bezirkes Dresden (BfaK Dresden) hervorgegangen sind und Fassaden, aber auch den architekturbezogenen Freiraum nutzen. Bisher wurde im Kunstfonds hauptsächlich der Bereich des ehemaligen Bezirkes Dresden bearbeitet, der sich zwischen Riesa und Görlitz erstreckte. Aufgrund gemeinsamer Schnittmengen werden zusätzlich Belange der in dieser Form von 1958 bis 1990 in Dresden ansässigen Produktionsgenossenschaft Kunst am Bau herangezogen. Da diese drei Bestände heterogen und durch das Auftragswesen jeweils weitgehend staatlich kuratiert sind, sollten sie für die hiesige Beobachtung eine valide Grundlage bilden und eine überschaubare Objektgruppe eingrenzen. Zur Thematik des Weiblichen in der Kunst, ebenso wie zu Künstlerinnen, wurden bereits einige Gedanken und Arbeiten ausgeführt. Die 2003 vorgelegte Arbeit Die bessere Hälfte. Künstlerinnen des 20. und 21. Jahrhunderts von Isabelle Graw gibt den Blick auf die Internationalität der Geschlechterproblematik frei und untersucht neben der Wirkung klassischer Rollenbilder auch die Frage der Ausbildung und dem Selbst- und Fremdbild der beschriebenen Künstlerinnen. Das sozialistische Rollenmodell führt also nicht allein zu einer Schere zwischen männlichen und weiblichen Anteilen in der Kunst. Im Gegenteil waren staatliche Aufträge eine gewisse Förderung, die hart umkämpften freien Kunstmärkten weitgehend fehlte, wenn das jeweilige politische System nicht die Sprachgewalt künstlerischer Erzeugnisse für sich zu nutzen gedachte. 2013 zeigt Yvonne Fiedler in ihrer Untersuchung privater Galerien in der DDR, dass sich das Schicksal von Galeristinnen nicht wesentlich von dem der Künstlerinnen unterschied. Sie beschreibt das ungleiche Verhältnis von Männern und Frauen in Galerieleitungen, von denen nur 25 Prozent überhaupt einen geringen Anteil Frauen vorweisen könnten. Auch die Ungleichheit der Ausstellungsmöglichkeiten in der Szene ließ sich ablesen.7 Die baugebundene Kunst geriet in der letzten Dekade zunehmend in den Fokus der jüngeren Kunstgeschichte. Da Keramik aber meist in Form von Plastiken oder Formgestaltung betrachtet und baugebunden männlich dominiert wurde, gibt es zu dieser Thematik, besonders hinsichtlich Künstlerinnen, bis dato nur wenige Forschungsbeiträge. In bestandsübergreifenden Primär- und Sekundärquellen werden solche Werke jedoch auch erwähnt.

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