282 Mosaiken und keramische Wandflächen der Nachkriegsmoderne in Deutschland Eine Untersuchung am Bestand Um die weiblich konnotierte keramische Wandbildarbeit einordnen zu können, erscheint es hilfreich, sie im kunsthistorischen Kontext zu betrachten. Bestände, Material, Gattung, Ausbildung und Geschlechter werden innerhalb des abgesteckten Forschungsfeldes betrachtet und ins Verhältnis gesetzt. Der Bestand des ehemaligen BfaK Dresden zählt gemäß aktueller Bestandsabfrage 798 Datensätze, die der baugebundenen Bestandsgruppe aus dem Zeitraum von 1973 bis 1990 zugeordnet werden können.8 Unter diesen finden sich 88 keramische Objekte, von denen die Hälfte in den Bereich der Wandarbeiten fällt und von 24 Künstlern, aber nur drei Künstlerinnen erarbeitet wurde. Während weibliche Künstler also nur ein Achtel der keramischen Wandbilder stellen, sind sie im gesamten baubezogenen Bestand mit einem Drittel und darin bei keramischen Arbeiten zu einem Viertel vertreten. Das bedeutet, dass Frauen speziell bei den keramischen Wandbildern auffallend selten tätig waren. Woran könnte das liegen (Abb. 1)? Unter den drei verbleibenden Künstlerinnen, die im BfaK Dresden mit baugebundener Keramik in Form von Wandbildern nachgewiesen sind, befindet sich neben Erika Liebig und Barbara Sammler auch die Künstlerin Bärbel Schulz. Im Jahr 1940 geboren, gehört sie zur zweiten Generation der DDR-Künstler und tritt 1969 für 16 Jahre als einzige Frau in die Produktionsgenossenschaft Bildender Künstler Kunst am Bau ein (Abb. 2).9 Erst nach 1990 sollten weitere Künstlerinnen der nächsten Generation den Weg in die Nachfolgeeinrichtung der Genossenschaft finden.10 Bärbel Schulz absolvierte an der Hochschule für Industrielle Formgestaltung Burg Giebichenstein in Halle an der Saale zunächst ein Studium zur Textilgestaltung, wechselte jedoch nach einem Jahr in die Fachrichtung Keramik.11 Damit hatte sie das erste der vier – im Film Camille Claudel von Bruno Nuytthen beschriebenen – Muster der Frau als Künstlerin entkräftet: Demnach sei nämlich die Frau ein so instinktiv agierendes Wesen, dass sie auf ganz natürliche Weise, vor allem aber ohne Ausbildung, Künstlerin sei. Dass diese Behauptung spätestens seit der Aufnahme von Frauen am Bauhaus obsolet war, steht außer Frage. Das zweite Muster unterstellt Künstlerinnen eine rein subjektive Verarbeitung innerer Prozesse und BfaK Bezirk Dresden (1973–1991) Datensätze gesamt 798 (A) Davon Keramik 88 (B), 11% (von A) Davon Wandbild 44,5% (von B) Davon Künstler m/f 24/3 (C) = f 12,5 % bzw. ⅛ (von C) Gesamtzahl Künstler 272 (D1) Gesamt m/f 200/63 (D2), (9 unklar) = f 31,5 % bzw. ⅓ (von D2) Keramik m/f 35/8 (D3) = f 22 % bzw. ¼ (von D3) 1 Kunstfonds Staatliche Kunstsammlungen Dresden, Bestand: Büro für architekturbezogene Kunst des Rates des Bezirkes Dresden, Datenabruf und -vergleich, Stand 3. 10. 2021
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