Leseprobe

283 Emotionen und kann hier mangels Kenntnis dieser Gefühle im Fall Bärbel Schulz’ leider nicht untersucht werden. Die beiden übrigen Muster jedoch hatten von ihrer scheinbaren Relevanz im gesellschaftlichen Kontext leider nur wenig verloren. Der Mythos der absoluten Ausnahmefrau allein unter Männern wird von Bärbel Schulz’ Einzigartigkeit als Frau in der Produktionsgenossenschaft leider geradezu kongruent abgedeckt. Muster vier beklagt die Vernachlässigung des weiblichen Rollenbildes, wenn eine Frau sich zur Kunst bekenne. Ob Bärbel Schulz im Privaten ihren vermeintlichen weiblichen Pflichten nachkam, ist hier gar nicht von Relevanz. Das vierte Muster erinnert jedoch an die wiederkehrende Kritik der Rolle der Frau im Sozialismus, wie sie bei Irene Below in Frauen, die malen, drücken sich vor der Arbeit und dem Gemälde Zweite Schicht von Kurt Dornis aus dem Jahr 198612 anklingt. Der sozialistische Staat gewährte der Frau unter dem Deckmantel der Gleichberechtigung das Recht auf eine eigene berufliche Tätigkeit. Daraus erwuchs jedoch auch die soziale Pflicht der Wahrnehmung dieses Rechts, ohne jedoch die Verantwortung für Haushalt und Kinder umzuverteilen. Das Leitbild der Mutter wurde madonnenhaft auch über die Bildsprache der Kunst transportiert13 und ließ neben der Arbeit für den Lebensunterhalt kaum Platz für das künstlerische Schaffen der Frau. Hieran entwickelt sich die Frage, warum eine Frau nur schwer von der Kunst leben konnte, wenn sie dennoch kreativ tätig war. Ein Blick auf die Anwendungsbereiche künstlerischer Keramikerzeugung soll helfen, das Phänomen zu entschlüsseln. Die Kataloge der Bezirksausstellungen und der Kunstausstellungen der DDR ermöglichen es, das Kunstverständnis der Zeit und die Anforderungen an das Material zu überblicken. 2 Die Mitglieder der Genossenschaft Kunst am Bau: Dieter Graupner, Bärbel Schulz, Siegfried Schade, Ewald Eisel, Andreas Kornmann, Egmar Ponndorf, Friedrich Kracht, Gerd-Rainer Grube, Wolff-Ulrich Weder, Rudolf Sitte (v. l. n. r.), , um 1972

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