Leseprobe

17 4 Usambaraveilchen (Saintpaulia ionantha-Hybride) Foto: Axel Killian, 2022 5 Zeichnung: Saintpaulia ionantha Künstlerin: Reinhild Raistrick Um 1995: Tansania Courtesy Reinhild Raistrick Ende des 19. Jahrhunderts ebnete der deutsche Kolonialbeamte Walter von Saint Paul-Illaire (1860–1940) einer kleinen Blume aus dem bergigen Norden des heutigen Tansania, ehemals »Kaiserliches Schutzgebiet Deutsch-Ostafrika« (DOA), den Weg in die Wohnzimmer des Globalen Nordens. Auf Streifzügen durch die feucht-schattigen Wälder der Usambara-Mountains fielen ihm kleine, blau blühende Blumen auf, die ihn an Veilchen erinnerten. Er schickte ihre Samen nach Europa, wo sie erfolgreich zum Keimen gebracht und gezüchtet wurden. Heute sind gezüchtete Kulturformen der Usambaraveilchen als Zimmerpflanzen weltweit in diversen Sorten verbreitet, während das Überleben der rund 20 Wildarten stark bedroht ist. Mitte der 1990er Jahre widmete die britische Künstlerin Reinhild Raistrick (* 1940) dem Schutz der Wildformen des Usambaraveilchens ein Dokumentationsprojekt. Mithilfe lokaler Wissensträger spürte sie während eines mehrmonatigen Aufenthalts in den Usambara-Mountains zahlreiche Wildformen auf, um sie in ihren natürlichen Habitiaten zu zeichnen. Für die Künstlerin war es zugleich die Rückkehr in eine Region, in der sie geboren wurde und mit der ihre Familie verbunden ist. Raistricks Großvater, Wilhelm Bokermann (1867–1947), war in Lutindi (westliche Usambara-Mountains) ab 1895 als Missionar der Evangelischen Missionsgesellschaft Deutsch-Ostafrika (EMDOA, die spätere Bethel Mission) tätig. Die Anfänge der EMDOA gehen auf den Kolonialakteur Carl Peters (1856–1918) zurück, der die christliche Mission zur Unterstützung seiner kolonialen Machtpolitik in Ostafrika einsetzen wollte. Die Errichtung der deutschen Kolonialmacht und die damit einhergehende wirtschaftliche Ausbeutung setzten in den Usambara-Mountains einen irreversiblen Wandel der Landnutzung in Gang. Grund dafür war die Einführung des Kaffeeanbaus auf großen Plantagen, für die mehr und mehr Waldflächen, Lebensraum der Usamabaraveilchen, gerodet wurden. Dieser Prozess hält bis in die Gegenwart an, und möglicherweise sind einige der von Raistrick gezeichneten Arten heute bereits verschwunden. BHI

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