Leseprobe

202 206 Porträt Antonie Thawka Brandeis (1868–1945) Fotostudio: Léon Alfred Vassel (1845–1906)/Berlin, Potsdamer Str. 34 Vermutlich 1886: Berlin /Deutschland, Foto, Leihgabe: Familie von Brand/Maryland (USA) Provenienz: Familienerbstück Antonie Brandeis (1868–1945) Antonie Thawka Brandeis hat während ihres mehrjährigen Aufenthalts auf den Marshallinseln eine bedeutende ethnografische Sammlung zusammengetragen. Darüber hinaus engagierte sie sich über mehrere Jahrzehnte in der kolonialen Frauenbewegung im Deutschen Reich und vor allem im Frauenbund der Deutschen Kolonialgesellschaft, dem sie 1908 beitrat und in dem sie bis mindestens 1933 in Berlin und Hamburg leitende Funktionen innehatte. 1907 veröffentlichte sie ein »Kochbuch für die Tropen«, das auf ihren Erfahrungen in Mikronesien basierte und mit insgesamt vier Auflagen sehr erfolgreich war. Als Repräsentantin des Frauenbunds der Deutschen Kolonialgesellschaft war sie 1926/27 an der Gründung der Kolonialen Frauenschule im norddeutschen Rendsburg beteiligt, in deren Aufsichtsrat sie zudem bis 1933 saß. Die Schule sah ihre Aufgabe darin, junge Frauen für ein Leben als Siedlerinnen in Südwestafrika vorzubereiten und auf diese Weise in der ehemaligen und nun südafrikanisch beherrschten Kolonie »das Deutschtum zu bewahren«. Weiterhin wirkte Antonie Brandeis im Frauenverein vom Roten Kreuz für Deutsche über See und war Mitbegründerin und Erste Vorsitzende der Hamburger Abteilung des Bundes der Auslandsdeutschen. In diesen Funktionen hielt sie Vorträge, leitete Exkursionen für Hamburger Frauen zur Schule in Rendsburg, beteiligte sich an der Organisation prokolonialer Veranstaltungen und publizierte rege zu kolonialen Themen. Sie beteiligte sich an mehreren Kolonialausstellungen, darunter auch der Hygiene-Ausstellung in Dresden 1911, wo sie ein nach ihrer Anleitung entworfenes Modell einer Tropenküche vorstellte. Antonie Brandeis war zeitlebens von der zivilisatorischen Mission des europäischen Kolonialismus überzeugt und hat sich als Vertreterin des Kolonialrevisionismus der Weimarer Republik für ein deutsches Recht auf Kolonien eingesetzt. 1933 endete ihr fast drei Jahrzehnte dauerndes Engagement – womöglich, weil sie aufgrund ihrer arabischen und daher »nicht-arischen« Herkunft aus den gleichgeschalteten Kolonialvereinen ausgegrenzt wurde. GK

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