Leseprobe

7 Der Umgang mit dem kolonialen Erbe wird in Deutschland seit einigen Jahren intensiv diskutiert. Deswegen war es für die Städtischen Museen Freiburg jetzt an der Zeit, das Thema Kolonialismus in einer großen kulturgeschichtlichen Ausstellung aufzuarbeiten. So wie in den Jahren 2016/17 die Ausstellung »Nationalsozialismus in Freiburg« ein wichtiger Baustein auf dem Weg zur Gründung eines Dokumentationszentrums Nationalsozialismus gewesen ist, so wird hoffentlich die jetzige Ausstellung »Freiburg und Kolonialismus: Gestern? Heute!« eine ähnliche stadtgesellschaftliche Wirkung entfalten – aber vielleicht auch weit über Freiburgs Grenzen hinaus als ein Versuch wahrgenommen, sich kritisch mit diesem Aspekt deutscher Geschichte auseinanderzusetzen. In Freiburg waren die städtischen Sammlungen von Anfang an universell angelegt. Dazu zählten immer Zeugnisse der Weltkulturen. Deswegen gehört die Ethnologische Sammlung in Freiburg zu den bedeutendsten ihrer Art im kommunalen Besitz. Schon lange stand die Geschichte dieser Sammlung im Fokus der Museumsarbeit. Bereits 1995 wurde unter der Leitung der damaligen Direktorin des Adelhausermuseums für Völkerkunde, Eva Gerhards, mit dem Begleitbuch »Als Freiburg die Welt entdeckte. 100 Jahre Museum für Völkerkunde« die problematische Herkunft einiger Teile der Sammlung thematisiert. Vor zwei Jahren stand mit der Ausstellung »Ausgepackt! 125 Jahre Geschichten(n) im Museum Natur und Mensch«, das aus dem Museum für Natur- und Völkerkunde hervorgegangen ist, erneut die Geschichte des heutigen Museums im Vordergrund. Der Katalog dieser Ausstellung von Tina Brüderlin, Stefanie Schien und Silke Stoll setzte hier neue Maßstäbe. Schon seit vielen Jahren gibt es in Freiburg aber auch eine engagierte Debatte über koloniale Strukturen und deren Ursachen. Die Bildungsinitiative freiburg-postkolonial.de war in Freiburg bereits aktiv, als an anderen Orten Deutschlands diese Aufarbeitung der eigenen Geschichte noch lange kein Thema war. Im Kontext der Arbeit von freiburg-postkolonial entstanden bereits einige wegweisende historische Forschungen; Bernd-Stefan Grewe, Markus Himmelsbach, Johannes Theissen und Heiko Wegmann seien hier als wichtige Autoren genannt. Entstanden ist diese Ausstellung als eine Gemeinschaftsproduktion des Museums Natur und Mensch und des Augustinermuseums. Kritisch begleitet wurde die Vorbereitung durch den wissenschaftlichen Beirat, dem unser herzlicher Dank gilt. Wegen der Corona-Pandemie konnte allerdings nicht so oft getagt werden, wie das ursprünglich geplant war. Die wissenschaftliche Leitung dieses Ausstellungsprojekts lag in den Händen von Beatrix Hoffmann-Ihde, verantwortlich für das Ausstellungsmanagement war Mirja Straub. Intensiv wurde im Rahmen der Vorbereitung diskutiert, wie partizipative Elemente in die Ausstellung integriert werden können, und durch das konsequente Engagement der wissenschaftlichen Projektleiterin ist es gelungen, in die Ausstellung verschiedene partizipative Formate einzubinden, auch im Rahmen einer engen Zusammenarbeit mit verschiedenen Kooperationspartner_innen in Namibia. Ein Ergebnis dieser partizipativen Kooperation sind die »Blank Spaces«, Freiräume, die für die Gestaltung von externen Akteur_innen reserviert waren, um ihre Perspektive auf das Thema der Ausstellung, die Aufarbeitung des Kolonialismus und seiner Folgen einzubringen. Allen Mitwirkenden sei dafür sehr herzlich gedankt. Der Ausstellungsaufbau und die Vorbereitung waren diesmal sehr herausfordernd, nicht nur, weil so viele unterschiedliche Objekte gezeigt werden, sondern weil ebenso immer wieder die Frage diskutiert werden musste, ob man ein bestimmtes Zeugnis der kolonialen Vergangenheit überhaupt zeigen darf. Diese Frage hat sich das Ausstellungsteam nicht leicht gemacht. Mitgeholfen bei der Bearbeitung dieser Frage hat das Team des Designbüros pingundpong in Zusammenarbeit mit Alexander Poetzsch Architekten in Dresden. Dank richtet sich an das Aufbauteam in Freiburg mit den Werkstätten unter Ansgar Brandstätter, den Restauratorinnen und Restauratoren. Hier ist vor allem Kai Miethe zu erwähnen, der die Lichtplanung koordinierte. Ein so umfassendes Ausstellungsprojekt ist wie immer Teamwork, alle Mitarbeitenden der Städtischen Museen haben hier wieder Großes geleistet. Nun bleibt zu hoffen, dass die Ausstellung Diskussionen in der Stadtgesellschaft anregt und dieses Kapitel der Geschichte kritisch beleuchtet. Für die Museen werden die Debatten weitergehen, denn im Nachgang dieser Ausstellung wird sich auch der Diskurs über die Provenienz der Objekte und zu möglichen Restitutionen fortsetzen. Weitere Provenienzforschung und die möglichst vollständige Digitalisierung der Bestände der Ethnologischen Sammlung sollen für diesen Prozess die notwendige Transparenz schaffen. Tilmann von Stockhausen Vorwort

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