q 46 3 Sowjetische Ehrenmale in Europa zialistischen Realismus, der allmählich zur kunstgeschichtlichen Rarität wird«.108 Für das sowjetische Ehrenmal in Berlin-Tiergarten gestaltet sich die Forschungslage durchaus vielfältiger, jedoch sind auch hier Desiderate hinsichtlich der kunsthistorischen Einordnung zu verzeichnen.109 In einer 1975 erschienenen Publikation des für die Pflege aller Berliner Ehrenmale verantwortendlichen Betriebes VEB Stadtgrün findet sich eine vergleichsweise knappe Beschreibung des im westlichen Teil der Stadt gelegenen Denkmals.110 Eine 1987 erschienene umfangreiche Darstellung der Erbauung und Nutzung des Ehrenmals blendet die ikonografische Einordnung vollkommen aus.111 Erst über 60 Jahre nach Erbauung des Denkmals erschien eine Publikation über die sowjetischen Ehrenmale in Berlin, die auch ausführlicher auf verschiedene Aspekte der Denkmalsbeschreibung eingeht.112 Aufgrund des zentralen Stellenwerts des Ehrenmals in Berlin-Treptow für die Geschichtspolitik der DDRwurde dieser Anlage auch eine ungleich größere Aufmerksamkeit in sowohl öffentlichkeitswirksamen als auch wissenschaftlichen Abhandlungen zuteil. Dabei ist auffällig, dass sich entsprechende Publikationen der Jahre 1950 bis 1989 immer der gleichen Quellen bedienen und sich zudem in Stil und Aussage kaum voneinander unterscheiden.113 Dabei wird die Nutzung und der Erhalt des Ehrenmals als ein politisches Symbol betrachtet, als »eine ewigeMahnung an das Gewissen der Menschheit«.114 In der Zeit nach 1990 findet sich nur selten eine – verglichenmit der Anzahl der publizierten Texte über das Ehrenmal – kritisch reflektierende Interpretation der Baugeschichte und der verschiedenen Symbolebenen der Anlage. Auffallend ist ebenfalls, dass weder vor noch nach 1989 ein wissenschaftlich basierter kunsthistorischer Führer über die Anlage erarbeitet wurde.115 So wird im Folgenden erstmals der Versuch unternommen, die sowjetischen Ehrenmale vergleichend vorzustellen. 3.4.1 Wien (Schwarzenbergplatz) Das Zentrum Wiens ist von der Ringstraße als zentrale Repräsentationsachse des 19. Jahrhunderts umgeben. Hier erstreckt sich im südlichen Teil zwischen dem Kärntner Ring und demSchubertring stadtauswärts der Schwarzenbergplatz.116 Der rund 450 Meter lang gezogene117 und durch die Lothringer Straße sowie durch Straßenbahnschienen dreifach geteilte und damit unruhige Platz bietet dem Betrachter zunächst den Blick auf das Reiterdenkmal des Namensgebers, des Fürsten Karl Philipp zu Schwarzenberg (1771–1820). Dahinter eröffnete sich ursprünglich der Blick auf die Gartenfassade des Palais Schwarzenberg, der Wiener Stadtresidenz des Fürstenhauses. Heute wird diese direkte Sichtachse durch den Hochstrahlbrunnen sowie das Ehrenmal der Roten Armee verdeckt (Abb. 1, 2).118 Die Denkmalsanlage offenbart sich dem Betrachter erst vollständig, wenn er neben dem Hochstrahlbrunnen steht. Die 26 halbrunden Kolonnadensäulen mit ihren ungefähr acht MeternHöhe bilden hierbei eine Art Einrahmung der Anlage (Abb. 3).119 Linksseitig ist amAbschluss der Kolonnade eine Marmortafel angebracht, auf der – in Goldbuchstaben – die sowjetischen Baumeister und Bildhauer des Befreiungsdenkmals mit ihremmilitärischen Rang festgehalten sind: der Architekt S. G. Jakovlev, der Bildhauer M. A. Intisarjan sowie der Bauleiter M. S. Schejnfeld (Abb. 4). Auf demArchitrav des Kolonnadenbogens ist in vergoldeten kyrillischen Lettern zu lesen: »Ewiger Ruhm den Helden der Roten Armee, gefallen im Kampf gegen die deutsch-faschistischen Landräuber für die Freiheit Abb. 1 Blick von der Ringstraße auf den Schwarzenbergplatz mit Schwarzenberg-Denkmal, Hochstrahlbrunnen und Ehrenmal.
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