4.1 Wien 1945 bis 1955: Ein sowjetisches Ehrenmal zwischen Befreiung, Niederlage und Besatzung1 97 q unterschiedlicher Denkmalsprojekte geraten. Neben der Errichtung des Reiterstandbilds des Namensgebers sind hier vor allem Pläne zur Erbauung eines Denkmals für Gustav Mahler zu nennen, die 1931, obgleich bereits weit fortgeschritten, aufgegebenwurden. Entstandenwäre das Denkmal an der Stelle, auf der im August 1945 das sowjetische Befreiungsdenkmal eingeweiht wurde.56 Bei Kriegsende wurden in den Kämpfen um Wien die Häuser 3 und 5 – im mittleren und äußeren Teil gelegen – durch Bombentreffer zerstört. Andere – vormals in jüdischem Besitz befindliche und nach 1938 enteignete Gebäude waren bereits vor dem Krieg »baukünstlerisch verstümmelt« worden.57 Nach Kriegsende hatte – wie schon erwähnt – der Alliierte Rat bis 1955 seinen Sitz im Haus Nr. 4, dem »Haus der Industrie«. Zudem war der Schwarzenbergplatz bis zum Abzug der alliierten Truppen ein politischer Knotenpunkt. Die Grenzen der sowjetischen und britischen Besatzungszone trafen hier ebenso aufeinander wie die der innerstädtischen Interalliierten Zone.58 All diese Faktoren – städtebauliche Prominenz, die Funktion als politisches Zentrum, die vielfältigen Denkmalstraditionen – haben die Wahl des Schwarzenbergplatzes für die Errichtung eines Siegesdenkmals zweifellos entscheidend beeinflusst. Konsequenterweise wollte die Sowjetunion mit dem Bau des Ehrenmals so rasch wiemöglich ihren allein errungenen Sieg, aber auch ihre Präsenz im zerstörten Wien demonstrieren. Die Quellenlage zur Erbauung desWiener Denkmals ist –wie bereits in der Einleitung der vorliegenden Studie detailliert ausgeführt – unzureichend. Baupläne oder Akten sindweder in russischen noch in österreichischen Archiven auffindbar. Ausschließlich Zeitzeugenberichte können zur Beschreibung der damaligen Umstände herangezogen werden.59 Dabei existieren unterschiedliche Berichte der am Bau beteiligten Personen.60 Verantwortlich für den Bau des Denkmals war Dmitrij Šepilov,61 als Bauleiter fungierte Michail Schejnfeld.62 Quellen, die sich auf Aussagen von Šepilov stützen, datieren den Befehl zur Erbauung des Denkmals bereits auf Februar 1945, also nach der für die Rote Armee siegreichen Schlacht um Budapest.63 Schejnfeld dagegen datiert den Erbauungsbefehl auf April 1945. Noch während der Kämpfe umWien seien vom Armeestab fünf sowjeAbb. 110 Blick zum Palais Schwarzenberg (Postkarte um 1910)
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