Leseprobe

5.1 Berlin 1945 bis 1949: Neue Denkmäler an alten Orten Wie bereits zu Beginn der vorliegenden Dissertation erwähnt, starben im April und Mai 1945 während der Kämpfe um die damalige Reichshauptstadt Berlin 20 000 bis 30 000 Soldaten der Roten Armee. Die hohe Zahl der Gefallenenmachte den Rücktransport zu einer Bestattung in der Sowjetunion unmöglich. Deshalb wurden die ersten großen Denkmäler und Denkmalensembles für die siegreiche Sowjetarmee nicht in der Heimat, sondern in den osteuropäischen Ländern errichtet, die von ihr befreit und dem sowjetischen Machtbereich nach und nach eingegliedert wurden.1 Diese Denkmäler waren in der Regel als Grab- und Erinnerungsstätten für die gefallenen sowjetischen Soldaten konzipiert.2 So befinden sich auf dem Gebiet der ehemaligen DDR heute etwa 850 sowjetische Gedenkstätten und Friedhöfe. Viele von ihnen wurden bereits im Frühjahr 1945 vor allem auf Initiative lokaler Kommandeure errichtet.3 Architektonische Mittelpunkte der Gräberstätten waren meist Obelisken oder Stelen, die als Ehrenmale fungierten und mit Inschriften und Symbolen der UdSSR und der Roten Armee versehen waren. Für die Errichtung dieser Grabstätten wurden häufig zwei Standorte gewählt: Zum einen städtebaulich oder topografisch dominante sowie verkehrsmäßig stark frequentierte Plätze4 sowie zumanderen die Nähe zu deutschen Kriegerdenkmalen für die Jahre 1864 bis 1871 bzw. 1914 bis 1918. Anzunehmen ist, dass die Führung der Roten Armee mit der zügigen Errichtung zahlreicher Denkmäler nicht nur ihre Opferbereitschaft für diesen Krieg, sondern ebenso ihre gegenwärtige und zukünftige Präsenz demonstrieren wollte. Indem die Toten auf fremder Erde bestattet waren, wurde gleichsam ein Anfang für die dauerhafte Anwesenheit der UdSSR geschaffen, die über 40 Jahre andauern sollte und – geschützt durch verschiedene Verträge nach 1990 – noch immer gegenwärtig ist.5 Im folgenden Kapitel werden zunächst die 1945 zügig vorangetriebene Erbauung und Einweihung des sowjetischen Ehrenmals im Tiergarten sowie die entsprechenden Vorgänge für das Ehrenmal imTreptower Park zwei Jahre später untersucht. Naturgemäß können in diesemAbschnitt ausschließlich für das Ehrenmal imTiergarten erste politische und gesellschaftliche Nutzungen konstatiert werden, für deren Einordnung in die zeithistorischen Entwicklungen abschließend die politischen Umstände der Jahre 1945 bis 1949, mit besonderer Rücksicht auf die Lage Berlins, skizziert werden sollen. Vorausschauend sei zunächst auf die Periodisierung der Jahre 1945 bis 1949 in Berlin verwiesen, die von JürgenWetzel vorgenommen wurde. Einer ersten Phase der alleinigen Kontrolle über die Stadt durch die Sowjets vonMai bis Juni 1945 folgte die zweite Periode der beginnenden Viermächteverwaltung, die mit den ersten freien Wahlen im Oktober 1946 endete. Die dritte Phase war von Auseinandersetzungen zwischen den ehemaligen Alliierten geprägt, während der vierte Abschnitt ab Frühjahr 1948 in eine »offene Konfrontation mündete«.6 Zum Zeitpunkt der Unterzeichnung der Kapitulationsurkunde vom 8. Mai 1945 war Berlin zunächst allein von der Roten Armee besetzt, deren Vertreter rasch mit dem Aufbau des neuen Magistrats begannen.7 Verbunden damit war auch der sowjetische Alleinanspruch auf die ehemalige Reichshauptstadt,8 der jedoch aufgrund des Londoner Protokolls jeglicher Rechtsgrundlage entbehrte.9 Deshalb konnten im Juli 1945 zunächst Amerikaner und Briten, etwas später dann auch die Franzosen ihre Sektoren übernehmen. Damit begannen aber auch die täglichen Probleme und schließlich auch Konfrontationen zwischen den Besatzungsmächten, die durch die Festlegungen der Potsdamer Konferenz vom Juli/August 1945 nicht verhindert wurden.10 Administrativ wurde die Stadt durch den Magistrat verwaltet, welcher der Alliierten Kommandantur unterstand, die wiederum dem Alliierten Kontrollrat als oberster Regierungsbehörde Deutschlands untergeordnet war.11 In diesem institutionellen Geflecht der vier Besatzungsmächte zeigte sich rasch, dass die Sowjetunion ihren Alleinanspruch auf Berlin zulasten der Amerikaner, Briten und Franzosen weiterhin durchsetzen wollte. Exemplarisch dafür ist die von der sowjetischen Besatzungsmachtmaßgeblich beförderte Zwangsvereinigung von SPD und KPD im April 1946. Nachdem sich die Alliierte Kommandantur nicht auf die von der Sowjetischen Militäradministration (SMAD) gewünschte Anerkennung der SED in ganz Berlin einigen konnte, entschied der Kontrollrat, dass SED und SPD in den westlichen Sektoren nebeneinander zuzulassen seien. Zugleich war den westlichen Alliierten aber auch bewusst geworden, dass sie ihre Position in der Stadt stärkenmussten. Für Oktober 1946 wurden zudemerste freie Wahlen angesetzt, bei denen die SED mit knapp 20 Prozent – verglichen mit den ursprünglichen Erwartungen der SMAD – unerwartet schlecht abschnitt.12 In der 1947 folgenden dritten Phase der Beziehungen zwischen den Alliierten versuchte die SMAD das Verhältnis der Berliner Bevölkerung zu den Westmächten kontinuierlich zu verschlechtern, um imGegenzug den eigenen Einfluss zu stärken. Die Folge war die Konzentration aller vier Mächte auf ihre jeweiligen Sektoren sowie der

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