Die sowjetischen Ehrenmale in Berlin und Wien 1945 bis 2010 Die sowjetischen Ehrenmale imBerliner Tiergarten und im Treptower Park sowie auf dem Wiener Schwarzenbergplatz sind seit ihrer Erbauung 1945 und 1949 weithin sichtbare, jedoch vergleichsweise wenig erforschte Denkmalsanlagen. Als monumentale Kriegerdenkmale sichern sie dauerhaft die Präsenz der Sieger des Zweiten Weltkrieges – der Roten Armee – in den Ländern der Besiegten. Ziel der vorliegenden Studie war es, die Bedeutung der drei großen Ehrenmale in Berlin undWien von ihrer Entstehung in den Jahren 1945/1949 bis in die Gegenwart unter historisch-politischen sowie kulturgeschichtlichen Aspekten zunächst vergleichend zu untersuchen. Die Entstehung und der Umgang der Akteure in Politik, Verwaltung und Gesellschaft standen dabei ebenso imMittelpunkt wie die Frage, wie die Denkmale mit ihren unterschiedlichen Botschaften in den verschiedenen politischen Systemen nutzbar waren. Denn als Denkmale, die bereits kurz nach ihrer Erbauung in die Obhut deutscher und österreichischer Verwaltungsbehörden übergingen und deren Status durch den Zweiplus-Vier-Vertrag (1990), das Kriegsgräberabkommen (1992) bzw. – für Wien – im Staatsvertrag (1955) festgeschrieben wurde, sind sie zwangsläufig Teil der Geschichtspolitik. Dabei wurden in dieser Studie folgende Leitfragen in den Mittelpunkt gestellt: q Das Sowjetische Ehrenmal im Tiergarten – Fremdkörper imGebiet West-Berlins oder Monument der AntiHitler-Koalition? q Das Sowjetische Ehrenmal in Treptow– vomAußenseiterstatus zumZentrumparteistaatlicher Repräsentation der DDR? q Das »Russendenkmal« am Schwarzenbergplatz – ungeliebtes Relikt der sowjetischen Besatzungszeit? Es war das vorrangige Ziel dieser Studie, zu analysieren, wie und durch wen die sowjetischen Ehrenmale in dem systemübergreifenden Zeitraum 1945 bis 2010 geschichtspolitisch verwendet wurden, wie sich die Sicht auf diese Orte änderte und ob die Ehrenmale als Indikatoren für den gesellschaftlichen und politischen Wandel in den deutschen und österreichischen Nachkriegsgesellschaften stehen können. Deshalb wurden verschiedene geschichtspolitische Ebenen untersucht: die staatliche, die administrative, die parteipolitische, die zivilgesellschaftliche, die mediale sowie die publizistische. Aufbauend auf dieser Analyse wurde zudem die Frage gestellt, wie die sowjetischen Ehrenmale als Orte der Erinnerung im geschichtspolitischen Kontext der SBZ, der DDR, des wiedervereinigten Deutschlands und Österreichs zu verorten sind. Die Ehrenmale wurden 1945 bis 1949 erbaut und gelten aufgrund des Errichtungszeitraums, einer augenfälligen Monumentalität sowie der vielschichtigen Symbol- und Formensprache der architektonischen und plastischen Komponenten als prominenteste Beispiele der stalinistischen Architektur in Deutschland und Österreich. Die am 19. August 1945 am Wiener Schwarzenbergplatz eingeweihte Anlage ist das älteste der drei Denkmale. Mit der Wahl des Standortes nahm sie den militärischen Memorialcharakter des Platzes in Gestalt des unverändert gelassenen Schwarzenberg-Denkmals auf. Die Sowjetunion konnte sich unter Bezugnahme auf 1813 erneut in die Tradition setzen, Befreier Europas zu sein, und verkündet dies auch mit der Inschrift am Kolonnadenbogen des sowjetischen Ehrenmals: »Ewiger Ruhm den Helden der Roten Armee, gefallen im Kampf gegen die deutsch-faschistischen Landräuber für die Freiheit und Unabhängigkeit der Völker Europas«. Die Soldatengruppen auf den Kolonnadenbögen zeigen in ihrem Gestus Kampfbereitschaft, während das Hauptmonument vomSieg kündet – die Fahne steht aufrecht, und der mit Sowjetsymbolen verzierte Schild ist gesenkt. Auf dem fünfzackigen, mit Marmor verkleideten Sockel, auf demdie Soldatenfigur steht, sind Befehle Stalins zu lesen. Einige der im Kampf umWien gefallenen Soldaten werden hier namentlich genannt und als Helden bezeichnet. Das Leiden und Sterben der Soldaten blendet das Ehrenmal weitestgehend aus. In ihrer Formsprache gedenkt die Anlage der Befreiung Wiens, nicht jedoch der gefallenen Soldaten. Das am 11. November 1945 eingeweihte Denkmal im Berliner Tiergarten hat den prominentesten innerstädtischen Platz, unweit des Reichstages und des Brandenburger Tores. Ähnlich wie in Wien wurde auch hier die vorgefundene Denkmalstradition des Standortes am Endpunkt der ehemaligen Siegesallee und an der Kreuzung der von den Nationalsozialisten geplanten NordSüd- und Ost-West-Achse aufgenommen und zugleich monumental überformt. Zugunsten dieses prominenten Standortes wurde sogar in Kauf genommen, dass die Anlage im britischen Sektor errichtet wurde. Während am Schwarzenbergplatz die Rote Armee als Befreier präsentiert wird, steht im Tiergarten der militärische Sieg im Mittelpunkt. Dies unterstreichen die demDenkmal vorgelagerten Panzer und Geschütze sowie der Kolonnadenbogen, an dessen Pfosten die einzelnen Waffengattungen der Roten Armee genannt werden. Der Soldat steht erhöht in der Mitte der Kolonnaden auf einemPostament, mutet aber nicht militärisch stolz an, sondern eher abwesend undmüde. Bestattet sind hier – größtenteils anonym bis auf wenige Ausnahmen – etwa 2 500
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