q 204 6 Zusammenfassung sowjetische Soldaten. Die dem Denkmal beigegebenen stilisierten Sarkophage und Urnen sowie dieWasserfontänen im Hintergrund der Anlage sind Merkmale eines Trauerdenkmals. Die Inschriften an den Kolonnaden auf Russisch, Deutsch und Englisch erinnern an den »ewigen Ruhm« für die gefallenen Sowjetsoldaten des »Großen Vaterländischen Krieges«. Das am8. Mai 1949 eingeweihte Denkmal imTreptower Park ist mit seiner Größe und der Komplexität der Anlage einmalig. Sicher, weil das Ehrenmal imTiergarten aufgrund der zunehmenden Konfrontation im Zeichen des Kalten Krieges für Feierlichkeiten nicht mehr unmittelbar zugänglich war, aber auch, um die Präsenz der UdSSR in der Besatzungszone dauerhaft festzuschreiben, wurde die Errichtung in vergleichsweise kurzer Zeit vorangetrieben und die Denkmalsfigur von großer ikonografischer Kraft geschaffen (Soldatenfigur mit dem Kind auf demArm). Es ist zugleich ein Trauer- und Siegesdenkmal. Die ungefähr 4 800 Soldaten wurden wie im Tiergarten größtenteils anonym bestattet. In der durchkomponierten Anlage gipfeln die Symbole des Triumphes (Torbögen, Fahnenmassiv) und der Trauer (»Mutter Heimat«, knieende Soldaten, Kenotaphe, Kurgan, Mausoleum, Heldengrab) in der metaphorischen Soldatenfigur, in der sich militärische Formensprache und christliche Symbolik in einer eigenen Heldenpose vereinen (Sieg über die Nationalsozialisten, Rettung eines Kindes). Die Einweihungszeremonien aller Denkmale wurden ausschließlich von sowjetischer Seite geplant und bewusst an politisch oder historisch aufgeladenen Tagen durchgeführt. So wurde das Ehrenmal in Wien am 19. August 1945 eröffnet, kurz bevor die anderen Alliierten ihre Sektoren in der bis dahin von der Roten Armee regierten Stadt übernahmen. Das Ehrenmal im Tiergartenwurde am 11. November 1945 eingeweiht, am Jahrestag der Unterzeichnung des Waffenstillstandes von Compiègne amEnde des ErstenWeltkrieges. Das Ehrenmal imTreptower Park wurde am »Tag des Sieges«, dem 8. Mai 1949, eingeweiht. Obgleich sich die Denkmalsanlagen in Berlin und Wien in der komplexen europäischen Tradition der Sieges- und Heldendenkmale bewegen und sowohl christliche als auch antike Motive verwenden, stellten sie doch für die Sowjetunion eine neuartige Bauaufgabe im Kontext der Architektur der Stalin-Zeit dar, für die es noch keinen festgefügten architektonischen und ikonografischen Kanon gab. Das individuelle Gedenken an die Gefallenen ordnet sich stets der Monumentalität der Anlagen unter. Es wird visualisiert, wofür gestorbenwurde, nicht aber wer und warum. Die Memoralisierung des Ruhmes und der Opferbereitschaft der Sowjetunion stehen im Mittelpunkt aller Anlagen. Die Anonymisierung der Gefallenen zeigt sich aber auch bei der bewussten Nicht-Nennung der Namen der Soldaten. Genaue Zahlen der bestatteten Soldaten im Tiergarten und Treptower Park können deshalb nicht ermittelt werden. Neben der Anonymisierung der Gefallenen ist derenHomogenisierung gleichermaßen prägend. An keiner Stelle wird der verschiedenen ethnischen Gruppen unter den Angehörigen der Roten Armee gedacht. Das zentrale gestalterische Element – die Soldatenfigur – verkörpert zwar in allen drei Ehrenmalen den überragenden Helden, allerdings mit einer jeweils unterschiedlichen Ausrichtung: stolzer Sieger –Wien; trauernder Sieger – Tiergarten; stiller, zukunftsweisender Held – Treptow. Unterlagen und Pläne zur Erbauung der Denkmale sind nicht mehr auffindbar. Diese deutlichen gestalterischen Veränderungen innerhalb weniger Jahre unterstreichen noch einmal, dass es in den ersten Nachkriegsjahren weder einheitliche Vorgaben noch normsetzende Vorbilder in der Sowjetunion gab. Im Gegenteil: Im Verlauf der Untersuchung konnte deutlich herausgearbeitet werden, dass in Wien und Berlin eine Denkmalstradition imeigentlichen Sinne sogar begründet wird, die mit zeitlicher Verzögerung auch in der Sowjetunion zur Errichtung von Ehrenmalen führt, die bis heute die Erinnerung an den »Großen Vaterländischen Krieg« prägen. Diese Denkmale stammen überwiegend aus einemStudio, das unmittelbar der sowjetischen Regierung unterstand und zu dem auch die Erbauer der Berliner Anlagen, die Bildhauer Evgenij Vučetič und Lev Kerbeľ sowie der Architekt Jakov Belopolskij, gehörten. Auch wenn eine direkte Einflussnahme Stalins auf die Planungen und die Gestaltung nicht nachweisbar ist, sind zumindest die Ehrenmale am Schwarzenbergplatz und in Treptow Zeugnisse seiner Herrschaft, tragen sie doch bis heute die ihm zugeschriebenen Inschriften. Aufgrund der bereits genannten vertraglich geschützten Stellung der Anlagen wurde eine Entstalinisierung an den Denkmalen nicht vorgenommen. Ebenso waren aufgrund der geschlossenen Verträge Denkmalstürze oder Umwidmungen, wie sie nach 1989 in den anderen Staaten des früheren sowjetischen Herrschaftsgebietes vorkamen, ausgeschlossen.
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