Leseprobe

2.1 Zwischen UdSSR und DDR – Eine lebensnotwendige Abhängigkeit1 Nach der Gründung der DDR am 7. Oktober 1949 war es für die Staatsführung der SED bis 1955 unsicher, welchen Status das eigene Land von Seiten der UdSSR zugebilligt bekommen würde. Bezeichnend war hierbei das sich 1952/53 ereignende Zwischenspiel der sogenannten Stalin-Note,2 als für einen Moment eine Wiedervereinigung Deutschlands unter dem Vorzeichen blockfreier Neutralität möglich schien. Zugleich schuf sich die UdSSR schon seit 1945 ein System der Überwachungs- und Einflussmöglichkeiten innerhalb der SBZ bzw. DDR, zu deren Durchsetzung und Bestand die SED mit differenzierten Formen und Methoden beitrug3 und das bis 1989 bestehen sollte. Als Stalin am 5. März 1953 verstarb, entstand ein Machtvakuum innerhalb der Führungsspitze der UdSSR, das sich – bedingt durch den Aufstand vom 17. Juni 1953 – nicht nur auf die innen-, sondern auch auf die außenpolitische Stabilität der DDR auswirkte. Noch ohne zugebilligte staatliche Souveränität durch die UdSSR unterstützte diese das SED-Regime jedoch bei der Niederschlagung dieses Aufstandes militärisch, was die SEDFührung wieder stabilisierte.4 Nicht nur dasmilitärische Eingreifen der UdSSR während des Aufstandes, sondern auch die dauerndemilitärische Präsenz der sowjetischen Truppen in der DDR prägten das Bild der Ostdeutschen über die Sowjetunion.5 Dagegen zeigten sich Vertreter der »sowjetischen Streitkräfte« auch noch nach 1989 überzeugt, dass ihre Stationierung »wichtigstes Mittel für den Machterhalt der SED« war sowie der »Stärkung der Positionen des Sozialismus in Europa« diente.6 Nach der vom damaligen Ersten Sekretär des ZK der KPdSU Chruščëv 1955 geäußerten Zwei-StaatenTheorie half die Sowjetunion der DDR, ihre wirtschaftlichen und kulturellen Beziehungen zu den der UdSSR zugeneigten Staaten sowie zum Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe (RGW) auszubauen. Fortan sollten zudemdie intensiven Beziehungen zwischen DDR und Sowjetunion zu einer »deutsch-sowjetischen Freundschaft« ausgestaltet werden, die bis 1989 offiziell Bestand hatte. Nach dem Beitritt der Bundesrepublik zur NATO am 9. Mai 1955 gehörte die DDR im Gegenzug – fast zwangsläufig – zu den »gleichberechtigten Mitunterzeichnern« des Warschauer Pakts vom 14. Mai 1955. Sie gewann somit an staatlicher Souveränität, auch gegenüber der Sowjetunion. Dies zeigte sich u. a. in einem am 20. September 1955 von DDR und UdSSR unterzeichneten bilateralen Vertrag. Dieser definierte die Beziehungen mit »völliger Gleichberechtigung, gegenseitiger Achtung der Souveränität und der Nichteinmischung in die inneren Angelegenheiten«. Doch – »obwohl sich dadurch die Abhängigkeit von der Sowjetunion de jure milderte, verwies der vertraglich vereinbarte Verbleib sowjetischer Truppen auf die mangelnde faktische Souveränität der DDR und zugleich auf die fortdauernde Instabilität des Regimes.«7 Als am 13. August 1961 die Berliner Mauer gebaut wurde und sich Ostdeutschland gegen die Bundesrepublik Deutschland abriegelte, sah der damalige Staatsratsvorsitzende Walter Ulbricht diesen Schritt gleichsam als »Zwischenstufe« für einen möglichst separaten Friedensvertragmit der Sowjetunion. Die DDR-Führungsspitze wollte den alliierten Status Berlins abbauen, um so längerfristig die Kontrolle über Gesamtberlin zu übernehmen. Chruščëv jedoch war nicht daran interessiert, Ost-Berlin zu viel außenpolitischen Spielraum zu überlassen. Das führte zu Missstimmungen zwischen beiden Staaten.8 In Bezug auf das sowjetische Ehrenmal in Berlin-Treptow sei hier noch erwähnt, dass im November 1961 die »Entstalinisierung« des öffentlichen Raumes – an Gebäuden und Denkmälern – auch in der DDR vonstatten ging.9 Das Ehrenmal in Treptowmit seinen zahlreichen Stalin-Zitaten war jedoch nicht unmittelbar von diesen Aktionen betroffen.10 Im Juni 1964 schlossen DDR und UdSSR den »Vertrag über Freundschaft, gegenseitigen Beistand und Zusammenarbeit«, der für die DDR aber nur ein »Trostpflaster« war, da die SED-Führungmit einemgesonderten Friedensvertrag und – in Konsequenz – mit verstärkter staatlicher Anerkennung durch die Sowjetunion gerechnet hatte.11 Im Oktober desselben Jahres wurde Leonid Brežnev Parteichef der KPdSU. Die Beziehungen zwischen Walter Ulbricht und Brežnev waren aber nie frei von Reibungen. Das zeigte sich nicht in offenem Widerspruch, wohl aber hatte die DDR-Führung nach dem Bau der Berliner Mauer neues Selbstbewusstsein bekommen. Infolgedessen beklagten sich viele »Bruderländer«wegenmancher ostdeutscher Überheblichkeit. Jedoch auch hier behielt Moskau die Kontrolle, als die Führung der KPdSU mit einem Handelsvertrag im Dezember 1965 die sowjetischen Handelswünsche gegen die der DDR durchsetzte. Auch Ende der 1960er bis Mitte der 1970er Jahre blieb die DDR weiterhin an die »sowjetische Generallinie gebunden«.12 Ulbrichts nach 1969 fokussierte »selbstständige Deutschlandpolitik« gegenüber der Bundesrepublik stieß auf sowjetischen Widerspruch. Denn statt der von Ulbricht geforderten »diplomatischen Missionen« musste sich die DDR am 12. August 1970mit der Rolle des Zaungastes abfinden, als die Bundesrepublik Deutschland und die UdSSR den Moskauer

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