q 24 2 Ausgangslage und Entwicklung deraußenpolitischen Beziehungen Vertrag unterzeichneten.13 Damit ging der Versuch der Staatsführung einher, in der DDR ein eigenes Nationalstaatsbewusstsein zu verankern. So vertrat in einer offiziellen demoskopischen Untersuchung Anfang der 1970er Jahre dieMehrheit der Bevölkerung dieMeinung, die DDR »sei ein selbstständiger Staat und müsse von der Bundesrepublik anerkannt werden«.14 Als am 2. Mai 1974 Ständige Vertretungen in Bonn und Ost-Berlin eingerichtet wurden, sprach sichMoskau gegen jede Form der diplomatischen Annäherung zwischen beiden deutschen Staaten aus. Die eingeforderte »Blockdisziplin« musste der DDR jedoch nicht abgerungen werden, weil dieser Staat ohnehin den fortwährenden Schutz der Sowjetunion benötigte. Zudem heißt es imersten Artikel eines am7. Oktober 1975 unterzeichneten Freundschaftsvertrags mit der UdSSR, dass auf die Erwähnung gesamtdeutscher Zusammenhänge verzichtet und die ewige Freundschaft mit der Sowjetunion beschworen werde.15 Im Jahr 1982, nach dem Tod von Brežnev, kam es während der Übergangszeit unter den neuen KPdSU- Generalsekretären Jurij Andropov und Konstantin Černenko zu keiner grundlegendenNeubestimmung in der die DDR betreffenden Außenpolitik. Die Beziehungen zwischen Sowjetunion und DDR blieben durch Meinungsverschiedenheiten über Vorteile und Risiken einer deutsch-deutschen Kooperation gekennzeichnet. 1985/86, nach demAmtsantritt vonMichail Gorbačëv als Generalsekretär der KPdSU, sah sich Ost-Berlin außenpolitisch zunächst wieder im Gleichklang mit der Sowjetunion und bewegte sich bei Abrüstungs- und diversen Friedensverhandlungen auf Linie der UdSSR.16 Doch während Gorbačëv eine Politik der Öffnung – Glasnost – sowie der Umgestaltung der Gesellschaft – Perestroika – verwirklicht sehenwollte, distanzierte sich die DDR-Führung zunehmend von der Führungsspitze der UdSSR. Dagegen hoffte ein Großteil der DDR-Bevölkerung durch die Politik der UdSSR auf Reformen im eigenen Land. Jedoch zeigte sich in der sogenannten »Sputnik-Krise«, die imOktober 1988 begann, wie tief die Kluft zwischen den Führungsspitzen der DDR und UdSSR einerseits sowie zwischen demSED-Regime und der ostdeutschen Bevölkerung andererseits war.17 So gab SED-Generalsekretär Erich Honecker imDezember 1988 die Losung vom»Sozialismus in den Farben der DDR« aus. Offen griff er die sowjetische Politik allerdings erst an, als sich die UdSSR zu einseitigen Rüstungsreduzierungen gezwungen sah und sich die Existenzfrage für die DDR damit am Horizont abzeichnete. Denn im Gegensatz zu 1961, dem Jahr des Mauerbaus, konnte die DDR 1989 nicht mehr auf die Blocksolidarität der »Bruderländer« bauen. In Ungarn suchten »Reformkommunisten« schon 1988 nach anderen politischen Wegen. In Polen verhandelte die Regierung mit der Gewerkschaft Solidarność.18 Als am 7. Oktober 1989 die Feierlichkeiten zum 40. Jahrestag der DDR in Berlin stattfanden, wollte Gorbačëv Honecker erneut zu einem reformorientierten Kurs drängen. In der atmosphärisch eisigen Stimmung verhallte seine Mahnung jedoch ungehört: »Wenn wir zurückbleiben, bestraft uns das Leben sofort.« Diese unkooperative Stimmung zeigte sich auch Ende Oktober 1989, als Egon Krenz, der neue Generalsekretär des ZK der SED, nachMoskau reiste. Der Eindruck, dass »in den Grundfragen der Entwicklung des Sozialismus zwischen der Sowjetunion und der DDR »kein Schulterschluss mehr vorhanden sei«, bestätigte sich während dieser Reise.19 Nun zeigten sich die Konsequenzen der Tatsache, »dass demStaat DDR ein konstitutives Element von Anfang an gefehlt hatte: Ein eigenes Staatsvolk hatte es nie gegeben, und die Staatsgewalt, die Herrschaft über Land und Leute, konnte nur so lange mit Gewalt aufrecht erhalten werden, wie der ›große Bruder‹ in Moskau die Voraussetzungen dafür garantieren konnte.«20 Nach dem Fall der Berliner Mauer am 9. November 1989 besetzte Hans Modrow den Posten des neuen Regierungschefs. Zunächst sah er die Zukunft der DDR in »kooperativer Koexistenz« mit der Bundesrepublik Deutschland. Bei den ersten freien Volkskammerwahlen am 18. März 1990 gab dieMehrheit der Ostdeutschen jedoch denjenigen Parteien ihre Stimme, die einer Vereinigung auf Grundlage des Artikels 23 des Grundgesetzes zustimmten. Ebenfalls 1990wurden die »Zwei-plusVier-Gespräche« durchgeführt. Sie endeten am 12. September 1990, nachdem die beiden deutschen Außenminister sowie die Außenminister der vier Siegermächte des ZweitenWeltkrieges den »Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland als Ganzes« abgeschlossen und damit die Voraussetzungen für die Wiedervereinigung Deutschlands gelegt hatten. Gerade für die folgende Analyse ist der Umstand wichtig, dass viele Ostdeutsche einen Unterschied sahen zwischen »den Russen« und der SED, der vielen DDR-Bürgern zubilligte, unter sowjetischer Hegemonie nicht anders als von Moskau bestimmt gehandelt zu haben.21 Die offizielle Formel von der Freundschaft mit
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