11 Von Göttern und Gräbern – die Aegyptiaca in Dresden als Spiegel der altägyptischen Kultur Friederike Seyfried Die Faszination, die bis heute von der altägyptischen Kultur ausgeht, hat letztlich dazu geführt, dass die Skulpturensammlung Dresden seit dem 18. Jahrhundert eine reiche Sammlung an Kunstobjekten dieser frühen Hochkultur ihr Eigen nennen darf. Die historische Genese der Sammlungsgeschichte und das Phänomen der Ägyptomanie werden in den entsprechenden Beiträgen dieses Bandes umfangreich und in all ihren Facetten bestens dargelegt. Darüber hinaus bietet der Katalogteil einen fachlich hervorragend recherchierten und ägyptologisch fundierten Überblick über die Dresdner Sammlung und ermöglicht, detailliert in die Vielfalt der altägyptischen Objekte der Skulpturensammlung einzutauchen. Die Katalogbeiträge gewähren mit ihren Beschreibungen und Erläuterungen einen präzisen Einblick in die jeweiligen kulturellen Kontexte der Objekte, sodass sich sowohl ihre historisch-chronologische Verortung als auch ihre kulturelle Zweckbestimmung optimal erschließt. Insofern möchte der vorliegende Beitrag lediglich ergänzend einige Aspekte der altägyptischen Kultur in Grundzügen darlegen und gleichsam verdichtet darauf verweisen, welche kulturellen Facetten der altägyptischen Kultur die Dresdner Sammlung am besten widerspiegelt. Es sei aber betont, dass auf diesen wenigen Seiten kein umfangreicher Abriss geleistet werden kann und dass für die geneigte Leserschaft auf ein breites Spektrum weiterführender Literatur verwiesen wird, das berufenere Fachkollegen andernorts in wegweisenden Monographien zur Kunst-, Kultur- und Religionsgeschichte niedergeschrieben haben.1 Die materiellen Hinterlassenschaften der altägyptischen Kultur haben sich vor allen Dingen aufgrund der ariden klimatischen Bedingungen in der Flussoase Ägyptens (Abb. 1) sehr viel besser erhalten als diejenigen anderer Kulturregionen und geben daher umfassend Auskunft über die gesamte Bandbreite einer mehr als 4 000 Jahre währenden Kulturgeschichte, beginnend mit der Frühzeit und der Herausbildung des Pharaonenreichs (um 2900 v. Chr.) bis in die Spätantike (5. Jahrhundert n. Chr.). Ein Blick auf das noch erhaltene Kulturgut zeigt jedoch, welch Ungleichgewicht im Erhaltungszustand und in der quantitativen Verteilung auf die einzelnen Kulturbereiche vorliegt: In der Architektur haben sich die monumentalen Tempel und Gräber aus Stein außergewöhnlich gut erhalten (Abb. 2) – ihre ebenfalls nachweisbaren Pendant-Bauten aus Lehmziegeln dagegen vergleichsweise seltener. Dasselbe gilt für die Wohnhaus- und Palastarchitektur, deren in Stein geschaffene Komponenten besser überlebt haben als das Gros der Ziegelmauern, die noch dazu häufig unter heute bebautem Siedlungsgebiet liegen oder von fruchtbarem Ackerland überdeckt sind. Tempel und Gräber sind also vergleichsweise besser gegenwärtig als die altägyptische Siedlungsstruktur. Noch deutlicher wird die Asymmetrie bei einem Blick auf das jeweilige ursprünglich vorhandene Inventar. In Tempeln sind nahezu ausschließlich die dekorierten Wände und monumentale Steinplastiken erhalten geblieben oder freigelegt worden, sieht man von Depotfunden zahlreicher Votivgaben und -figuren (vgl. Kat.-Nr. 3, 6–9) oder von Grundsteinbeigaben ab. Das Inventar von Siedlungen hat sich ebenfalls nur in Abhängigkeit von der geomorphologischen Lage vor Ort erhalten. Vollkommen anders dagegen sieht es mit den Inventaren der Gräber aus: Hier offenbart sich die Fülle dessen, was an materiellen Hinterlassenschaften des Alten Ägypten auf uns gekommen ist und gleichsam all das zu kompensieren scheint, was in den Tempeln und Siedlungen nicht mehr vorhanden ist. Denn abgesehen von den tatsächlich ausschließlich für die Grablegung und die Mumifizierung hergestellten Utensilien, wie den Balsamierungsmaterialien, den Särgen (Abb. 3, Kat.-Nr. 21) und Kanopen (Kat.-Nr. 26), den Uschebtis (Kat.-Nr. 28) und den Totenbüchern aus Papyrus (Kat.-Nr. 29), verweisen die meisten Grabbeigaben auf das Leben im Diesseits, und zwar Abb. 1 Hervé Champollion, Linkes Nilufer unterhalb von Esna (Oberägypten), 2006
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