Leseprobe

17 strenges Leistungsprinzip. Wer Leistung bringt und bereit ist, sich für das Große und Ganze einzusetzen und sich ständig weiterzuentwickeln, wird akzeptiert und findet Anerkennung. Dabei spielt die Herkunft der jeweiligen Fallschirmjäger:in nur eine untergeordnete Rolle. Dadurch ist die Fallschirmjägertruppe auch ein Melting Pot, der Menschen verschiedenster Herkünfte, Religionen und sexueller Orientierungen zu einer schlagkräftigen und einsatzbereiten Truppengattung macht. Alle diese Erkenntnisse durfte ich 2019 im Auslandseinsatz der Bundeswehr im Irak1 nutzen. Dort war ich eingesetzt als Ausbilder von Methodik und Didaktik und Führer eines Mobile Training Teams (MTT), um irakische Soldaten in der Ausbildungslehre der Bundeswehr zu schulen und es so dem Irak zu ermöglichen, einsatzbereite Streitkräfte aufzustellen. Als Offizier war Ausbildungslehre Teil meiner Ausbildung zum militärischen Führer. Schon beim ersten Sichten der Stundenpläne und Ausbildungsinhalte wurde mir klar: Unser Lehrgang würde nur ein extrem flüchtiges »Kratzen an der Oberfläche« darstellen. Wir hatten nur zehnTage zur Ausbildung zur Verfügung, davon gingen allein schon drei Tage für Organisatorisches und die Anfahrt der Lehrgangsteilnehmer ab. In den restlichenTagen hatten wir nur von 8 Uhr morgens bis 11 Uhr Zeit, um zu unterrichten. Insgesamt also 21 Stunden, um Menschen, die einem völlig anderen Kulturkreis angehören, deutsche Methodik und Didaktik beizubringen. Die Ausbildung musste daher im »Schweinsgalopp« erfolgen. Konkret sah einer meiner Arbeitstage so aus, dass meinTeam und ich den vorgeschriebenen Unterricht abhielten und um 11 Uhr wieder gingen. Das war Frontalunterricht pur. Es blieb kaum Zeit, tiefer in die Materie einzusteigen, Gruppenarbeiten durchzuführen oder mehr als oberflächlich auf die Fragen der irakischen Lehrgangsteilnehmer einzugehen. Der Rest desTages wurde von uns für administrative Tätigkeiten genutzt. Es gab also keine Zeit für die Lehrgangsteilnehmer, die Ausbildungsinhalte zu verinnerlichen, oder für Diskussionen. Meine Vorschläge, durch eine Anpassung des Lehrplans oder mehr Zeit für den Austausch einzuplanen, indem zum Beispiel die tägliche Unterrichtszeit oder die Anzahl der Lehrgangstage erhöht wird, wurden von internationalen Verantwortlichen abgeblockt.2 Problematisch waren nicht nur die zur Verfügung stehende Zeit, sondern auch die Lehrgangsinhalte. Unser Lehrgang bildete deutsche Ausbildungs- und Führungsprinzipien ab. Die konkrete Ausgestaltung der Inhalte erfolgte durch eines unserer Vorgängerkontingente, wurde von uns in geringem Umfang noch einmal angepasst. Dieser Lehrgang wurde also von deutschen Infanterist:innen gemäß deutscher Prinzipien entworfen. Eine Überprüfung durch Expert:innen, ob diese Prinzipien sich auf die irakischen Streitkräfte übertragen lassen, fand nicht statt. Exemplarisch für dieses Problem waren auch die Erfahrungen des deutschen MTT Logistik, unseres Schwester-MTT. Dieses hatte den Auftrag, die irakischen Lehrgangsteilnehmer in der logistischen Organisation eines Bataillons auszubilden. Dabei wurde wieder nach deutschen Organisationsprinzipien ausgebildet, uns war die Auf dem Flugplatz, Camp Taji 2019

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